Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des Betriebes i.S. von § 23 Abs. 1 KSchG
Leitsatz (amtlich)
Einzelfall einer wirksamen Kündigung im Kleinbetrieb
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Gemeinschaft aus mehreren rechtlich selbständigen Arztpraxen ist nicht Betrieb i.S. von § 23 Abs. 1 KSchG, wenn keine über eine rein unternehmerische Zusammenarbeit hinaus gehende rechtliche Verbindung der Unternehmen gegeben ist (hier: verneint).
2. Eine gemeinsame Personalabteilung mehrerer Unternehmen genügt zur Annahme eines Gemeinschaftsbetriebs nur, wenn sie zur Wahrnehmung der personellen Arbeitgeberfunktionen bevollmächtigt ist oder wenn sie von Personen geführt wird, die Entscheidung in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten für die beteiligten Unternehmen treffen. Handelt es sich dagegen nur um eine Einheit mit Unterstützungsfunktion, so kommt ihr keine wesentliche Indizwirkung zu.
3. In kleinen Betrieben außerhalb des sachlichen Geltungsbereichs des KSchG ist ein Arbeitnehmer durch § 242 BGB i.V. mit Art. 12 Abs. 1 GG vor einer auf willkürlichen oder sachfremden Motiven beruhenden Kündigung geschützt. Eine solche ist jedoch nicht gegeben, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Kündigung vorliegt.
Normenkette
KSchG § 23; BGB § 242; KSchG § 23 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 03.12.2013; Aktenzeichen 6 Ca 75/13) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 03. Dezember 2013 - 6 Ca 75/13 - wird auf Kos2 ten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung.
Die Beklagte ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit sechs Gesellschaftern. Sie ist im Rahmen der sogenannten "A" in B tätig. Bei dieser handelt es sich um eine aus mehreren BGB-Gesellschaften bestehende ärztliche Praxengemeinschaft, die in einem Gebäude untergebracht ist und die in ihrer Außendarstellung als Einheit auftritt. Die Gesellschaften beschäftigten insgesamt etwa dreißig Arbeitnehmer. Sie gründeten zum Zweck der Gebäudeverwaltung und des Gebäudemanagements die M GbR (nachfolgend M). Zu den von der M erbrachten Verwaltungstätigkeiten gehört das Stellen eines Hausmeisters, die Durchführung von Reparaturen an der Immobilie sowie die Sicherung und Wartung des Gebäudes und des zugehörigen Parkplatzes. Grundlage der Tätigkeit der M ist ein Rahmenvertrag mit dem Eigentümer des Praxisgebäudes. Den einzelnen Praxisgesellschaften in dem Gebäude werden ihre Praxisräume vom Eigentümer aufgrund separater Mietverträge überlassen. Die Praxisgesellschaften sind selbstständige Gesellschaften der an ihr beteiligten Ärzte. Sie sind verbunden durch die gegenseitige Überweisung von Patienten.
Die Praxen treten im Internet auf der Website "www.A.de", in Pressemitteilungen und im Praxisgebäude als Einheit auf. Sie veranstalten eine einheitliche Weihnachtsfeier und nutzen einheitliche Geburtstagsglückwunschkarten. Frau C, eine Mitarbeiterin der Firma A GmbH & Co. KG (A), fungiert unternehmensübergreifend als Ansprechpartnerin für Personalangelegenheiten. Dazu gehören Fragen der Urlaubsgewährung, der Gehaltsabrechnung, der Arbeitsunfähigkeit und der Schwerbehinderung. Der Gesellschafter D der A trat bis Anfang 2010 als Geschäftsführer der Beklagten auf. Er stellte dies ein, nachdem das Landgericht Darmstadt mit rechtskräftigem Urteil vom 19. Januar 2010 -8 O 426/07 - feststellte, dass in der Beklagten "die Geschäftsführung und Vertretung allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zusteht und der sich im Geschäftsverkehr als "Geschäftsführer" dieser Gesellschaft bezeichnende Herr J. D nicht Geschäftsführer dieser Gesellschaft ist." Wegen des vollständigen Inhalts des Urteils wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 29. Juli 2013 (Bl. 78 - 88 d. A.) Bezug genommen. Operateure der Firma E sind auch außerhalb der A in F tätig. Die Beklagte stellt für diese in B sterilisiertes Operationsbesteck und andere Materialien zur Verfügung.
Funktion der Beklagten im Rahmen der "A" ist die Zurverfügungstellung von OP-Sälen und Sterilisationspersonal für ambulante und stationäre chirurgische Operationen. Bei der Abstimmung der Einsatzzeiten des Sterilisationspersonals wirkt Frau C mit. Fachliche Weisungen erteilen den Arbeitnehmern der Beklagten deren Gesellschafter. Der Gesellschafter G trifft alltägliche Entscheidungen selbstständig, da er als Anästhesist überwiegend in der Praxis anwesend ist. Entscheidungen von größerer Tragweite treffen die Gesellschafter gemeinsam. Anfang 2013 beschäftigte die Beklagte sechs Arbeitnehmer, nämlich Frau H (45 Jahre alt, ledig, drei Jahre betriebszugehörig, ein Kind in Ausbildung, 25 Wochenstunden), Frau I (54 Jahre alt, verheiratet, 13 Jahre betriebszugehörig, 25 Wochenstunden), Frau J (59 Jahre alt, verheiratet, zweieinhalb Jahre Betriebszugehörigkeit, Grad der Behinderung 30, 30 Wochenstunden), Frau K (50 Jahre alt, verheiratet, zweidreiviertel Jahre Betriebszugehörigkeit, ein unter...