Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung übertariflicher Vergütungsbestandteile auf Tariflohnerhöhung. Verfall. Verjährung
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber hat, nachdem er mit dem Betriebsrat über eine zunächst beabsichtigte teilweise Anrechnung übertariflicher Vergütungsbestandteile erzielt hat, davon Abstand genommen und ohne Beteiligung vollständig angerechnet.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10; BGB §§ 194, 196 Abs. 1 Nr. 8, §§ 201, 209, 222
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 02.09.1996; Aktenzeichen 6 Ca 12/96) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Offenbach vom 2. September 1996 – 6 Ca 12/96 – wird auf Kosten der Berufungsklägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten vor dem rechtlichen Hintergrund der Frage der rechtmäßigen Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Vergütungsbestandteile um Vergütungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte.
Die am 06. Dezember 1956 geborene Klägerin war aufgrund des Arbeitsvertrags vom 15. Januar 1976 (AV, Bl. 80 u. 81 d. A.) seit dem 15. Januar 1976 zunächst als Jungexpedient in, dann als Sachbearbeiter in bei dem Unternehmen C. P. GmbH & Co. GmbH und später bei der T. H. L. GmbH in deren Betrieb in D. beschäftigt. Der Betrieb wurde im April 1995 von der Beklagten übernommen. Diese ist ein Tochterunternehmen der T. H. L. GmbH, diese wiederum der T. H. AG. Mitte 1993 waren in dem Betrieb etwa 150, Mitte 1994 etwa 130 Mitarbeiter beschäftigt. Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), die T. H. L. GmbH und die T. H. L. GmbH K. waren und die Beklagte ist Mitglied der Vereinigung des Verkehrsgewerbes in Hessen e. V.. Diese Verbände schlossen u. a. die Gehaltstarif verträge vom 07. Mai 1993, gültig ab dem 01. Juni 1993 (Bl. 135 u. 136 d. A. 9 Sa 2214/96, Gehaltstabelle Bl. 22 d. A.) und vom 11. Mai 1994, gültig ab dem 01. Juni 1994 (Bl. 138 – 142 d. vorgenannten Akte), ferner den Manteltarifvertrag für die kaufmännischen und technischen Angestellten des privaten Transport- und Verkehrsgewerbes in Hessen vom 07. Mai 1993. Letzterer Tarifvertrag lautet, soweit hier von Bedeutung:
„…
§ 9 Gehalt
„…
6. Die Gehaltszahlung erfolgt spätestens am letzten Arbeitstag des ablaufenden Monats.
„…
§ 18 Ausschlußfristen
1. Arbeitnehmerinnen sind zur sofortigen Nachprüfung ihrer Gehaltsabrechnung und des ausgezahlten Gehaltes verpflichtet. Stimmen die geleisteten Arbeitsstunden mit den der Abrechnung zugrundeliegenden Arbeitsstunden nicht überein, hat er seine Ansprüche innerhalb von zwei Monaten nach Entstehen des Anspruchs geltend zu machen.
2. Alle sonstigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmerin innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Entstehen des Anspruchs geltend gemacht werden.
…
5. Ansprüche, die nicht vor Ablauf der vorstehenden Fristen schriftlich geltend gemacht worden sind, sind ausgeschlossen.
…
§ 20 Schlußbestimmungen
- Dieser Tarifvertrag tritt am 01. Januar 1993 in Kraft.
- Er kann mit einer Frist von drei Monaten, frühestens jedoch zum 31. Dezember 1996, schriftlich gekündigt werden.”
Die Klägerin erhält ein Gehalt nach Vergütungsgruppe K 4 des Gehaltstarif Vertrages zuzüglich einer übertariflichen Zulage und ein 13. Monatsgehalt. Wegen der nach Meinung der Unternehmensleitungen der Mutterunternehmen unbefriedigenden Gewinnsituation beschlossen diese im März 1993, die nächste Tariflohnerhöhung nicht vollständig an die Angestellten der Unternehmen und Tochterunternehmen weiterzugeben. Entsprechend richtete auch die Beklagte unter dem 26. Mai 1993 ein Schreiben an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das auszugsweise wie folgt lautete:
„…
Der Vorstand der T. H. AG sowie die Geschäftsführung der T. H. L. GmbH hatten vor dem Hintergrund der aktuellen Ergebnislage und gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen beschlossen, 100 % der ab 01.03.1993 gültigen jeweiligen Tarifabschlüsse gegen freiwillige übertarifliche Zulagen zu verrechnen.
Nach Verhandlungen mit der Betriebsrätearbeitsgemeinschaft der T. H. AG sowie mit dem Gesamtbetriebsrat der T. H. L. GmbH wurde folgender Kompromiß geschlossen:
- In den Betrieben, in denen der örtliche Betriebsrat gem. § 87 BetrVG der generellen teilweisen Verrechnung der Tarif runde mit freiwilligen übertariflichen Zulagen schriftlich zugestimmt hat, werden 50 % des jeweiligen Tarifabschlusses gegen übertarifliche Zulagen aufgerechnet.
- In den Betrieben, in denen der örtliche Betriebsrat nicht gem. § 87 BetrVG der generellen teilweisen Verrechnung der Tarifrunde mit freiwilligen übertariflichen Zulagen zugestimmt hat, werden aus rechtlichen Gründen 100 % des jeweiligen Tarifabschlusses gegen übertarifliche Zulagen aufgerechnet.
- In den Betrieben, in denen die schriftlichen Rückäußerungen der örtlichen Betriebsräte noch ausstehen, muß aus rechtlichen Gründen zunächst gem. o. g. Ziff. 2 verfah...