Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzanfechtung. inkongruente Deckung. Insolvenzanfechtung von Zahlungen des Hauptunternehmers an die ZVK-Bau zur Tilgung von Beitragsschulden des Subunternehmers

 

Leitsatz (amtlich)

Zahlt ein Hauptunternehmer in der Frist des § 131 Abs. 1 Ziffer 1 InsO die Werklohnforderung seines Subunternehmers nicht an den Subunternehmer, sondern an die ZVK-Bau, um auf diese Weise Beitragsschulden des Subunternehmers bei der ZVK-Bau zu tilgen, so liegt eine nicht verkehrsübliche Zahlungsweise vor, die den Insolvenzverwalter über das Vermögen des Subunternehmers zur Anfechtung berechtigt.

 

Normenkette

InsO §§ 131, 143, 131 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 29.06.2012; Aktenzeichen 6 Ca 2154/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29.06.2011 - 6 Ca 2154/10 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 9.054,53 EUR (in Worten: Neuntausendvierundfünfzig und 53/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.12.2010 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an sie gezahlte Beiträge nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes im Wege der Insolvenzanfechtung an den Kläger zurückzuzahlen.

Der Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Hof vom 04. Februar 2010 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma A. (im Folgenden: Schuldnerin) ernannt, nachdem die B. bereits mit Schreiben vom 15. September 2009 (vgl. Blatt 9 d. A.) Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin gestellt hatte, was am 19. Oktober 2009 im Internet öffentlich bekannt gemacht wurde.

Die Beklagte ist die C.. Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Die Schuldnerin unterhielt einen Betrieb des Baugewerbes und nahm am Sozialkassenverfahren teil.

Die Schuldnerin war als Subunternehmerin für die Firma D. (im Folgenden: Firma E.) tätig. Am 19. Oktober 2009 überwies die Firma E. Beitragsrückstände auf das Beitragskonto der Schuldnerin bei der Beklagten in Höhe von Euro 9.054,53. Es handelt sich dabei um die Beiträge der Schuldnerin für die Monate Juli und August 2009.

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2010 (Blatt 6 bis 8 d. A.) hat der Kläger diese Zahlung angefochten.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, bei der Zahlung durch die Firma E. läge eine inkongruente Deckung im Sinne von § 131 InsO vor. Sofern das nicht der Fall sei, könne die Zahlung gemäß § 130 InsO angefochten werden. Der Kläger hat behauptet, der Beklagten seien der Insolvenzantrag der Schuldnerin bzw. die Umstände, die dem gleichstünden und auf eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin habe schließen lassen, bekannt gewesen. Mit Schreiben vom 25. September 2009 habe die Beklagte bei der Schuldnerin Beitragsrückstände ab Juni 2009 angemahnt.

Der Kläger hat mit der der Beklagten am 02. Dezember 2010 zugestellten Klageschrift beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Euro 9.054,53 zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, die Schuldnerin habe die Sozialkassenbeiträge regelmäßig und zum Teil sogar vor Fälligkeit gezahlt. Beitragszahlungen zu den Baukassen würden regelmäßig durch Dritte zwecks Beschleunigung des Zahlungsverkehrs geleistet. Mit dem vom Kläger genannten Schreiben vom 25. September 2009 seien Beiträge zur Winterbeschäftigungsumlage angemahnt worden, welches keine Beiträge der Beklagten seien. Die Beklagte habe erstmals mit dem Schreiben des Klägers vom 25. Februar 2010 (Blatt 19/20 d. A.) Kenntnis vom Insolvenzantrag erlangt.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 29. Juni 2011 - 6 Ca 2154/10 - die Klage abgewiesen. Es hat unter anderem ausgeführt, dem Kläger stünde ein Rückzahlungsanspruch gemäß § 143 Abs. 1 InsO nicht zu. Eine inkongruente Deckung im Sinne von § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO läge nicht vor, da der Beklagten die Beiträge für Juli und August 2009 zustünden. Zwar sei davon auszugehen, dass dann, wenn ein Dritter nicht an den Schuldner, sondern auf dessen Anweisungen an einen seiner Gläubiger leiste, es sich nicht um eine verkehrsübliche Zahlungsanweisung handele. In diesen Fällen läge eine der Art nach inkongruente Deckung unabhängig davon vor, ob ein eigenes Forderungsrecht des Insolvenzgläubigers bestünde. Die Zahlung eines (Dritt-) Schuldners des Insolvenzschuldners an dessen Gläubiger bewirke regelmäßig eine inkongruente Deckung, sofern nicht bereits zuvor ein eigenes Forderungsrecht des Gläubigers unanfechtbar begründet worden sei. Das sei vorliegend der Fall, da der Beklagten gemäß § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz ein Anspruch aus Bürgenhaftung gegen die Firma E. als eigenes Forderungsrech...

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