Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerentsendung. Allgemeinverbindlicherklärung
Leitsatz (amtlich)
1.Die Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Bautarifverträge, wonach sich diese nicht auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland erstreckt, wenn diese überwiegend in Abschnitt II oder II der Einschränkung aufgeführte Tätigkeiten ausführen (BAnz Nr. 20 v. 29.01.2000, zuletzt BAnz Nr. 218 v. 01.09.2002), greift nur eine, wenn die vom Arbeitgeber mit Sitz im Ausland in Deutschland überwiegend durchgeführten Tätigkeiten unter die Abschnitte II oder III der Einschränkungsklausel fallen. Die Art der betrieblichen Tätigkeit im Ausland ist ohne Bedeutung.
2.Nimmt die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft einen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland auf Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer in Anspruch, hat sie darzulegen und im Streitfall zu beweisen, dass die betriebliche Tätigkeit des Arbeitgebers von dem für allgemeinverbindlich erklärten Geltungsbereich der Bautarifverträge erfasst wird.
Normenkette
AEntG § 1; TVG TVe: Bau § 1; TVG § 5; ZPO § 520
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 09.04.2003; Aktenzeichen 6 Ca 3158/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 9. April 2003 – 6 Ca 3158/00 – teilweise abgeändert und wie folgt neugefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 128.474,42 (i.W.: Einhundertachtundzwanzigtausendviertiundertvierundsiebzig 42/100 Euro) zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Berufung des Klägers werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 12/25, die Beklagte 13/25 zutragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum März 1999 bis Oktober 2002.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV/Bau); Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV)) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütungen zu sichern. Die dazu erforderlichen Mittel haben die baugewerblichen Arbeitgeber durch Beiträge aufzubringen. Auf die Zahlung dieser Beiträge hat der Kläger einen unmittelbaren Anspruch.
Die Beklagte ist eine Gesellschaft ungarischen Rechts mit Sitz in … In den Kalenderjahren des Klagezeitraums wurden von den aus Ungarn in die Bundesrepublik Deutschland entsandten und zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassenen Arbeitnehmern der Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Werkverträgen mit deutschen Unternehmen Gips- und Putzarbeiten, Wärmedämmverbundsystemarbeiten (Aufkleben einer Styroporschicht auf eine Fassade, anschließendes Beschichten mit einer Gewebemasse und Auftragen einer Schlussbeschichtung) und Rohbauarbeiten ausgeführt. Außerdem errichteten die Arbeitnehmer der Beklagten Hallen aus Stahl, indem sie auf den Bausteilen die von dem Auftraggeber der Beklagten hergestellten Stahlträger zusammenfügten und die ebenfalls vom Auftraggeber erstellten Wand- und Deckenelemente montierten.
In Deutschland erbrachten die Arbeitnehmer der Beklagten im Jahre 1999 insgesamt 33.072 Arbeitsstunden, von denen 25,8 % auf die Errichtung von Stahlhallen und jedenfalls 38,8, % auf Putz- und Rohbauarbeiten entfielen. Im Jahre 2000 wurden von den Arbeitnehmern der Beklagten in Deutschland 43.246 Arbeitsstunden geleistet, wovon 4.730,5 Stunden auf die Errichtung von Stahlhallen und jedenfalls 8.267,5 Stunden auf Putz- und Rohbauarbeiten entfielen. 2001 betrug die Gesamtarbeitszeit der Arbeitnehmer der Beklagten in Deutschland 46.752 Arbeitsstunden, für die Erstellung der Stahlhallen wurden 10.639,5 Arbeitsstunden, für Putz- und Rohbauarbeiten jedenfalls 12.273,5 Stunden aufgewandt. In der Zeit von Januar bis Oktober 2002 arbeiteten die Arbeitnehmer der Beklagten in Deutschland 57.712,5 Stunden, dabei 15.099,5 Stunden bei der Stahlhallenerrichtung und jedenfalls 25.391,5 Stunden im Rahmen der Durchführung von Putz- und Rohbauarbeiten. In Ungarn wurden 1999 von Arbeitnehmern der Beklagten 24.910 Arbeitsstunden geleistet, 2000 14.040 Arbeitsstunden, 2001 29.825 Arbeitsstunden und 2002 29.825 Arbeitsstunden. Die Durchführung von Wärmedämmverbundsystemarbeiten machte dabei 22.265 (1999), 12.570 (2000), 20.082 (2001) und 27.637 (2002) Arbeitsstunden aus. Die übrige Arbeitszeit der Arbeitnehmer in den vorgenannten Kalenderjahren in Ungarn entfiel auf die Durchführung von Putz- und Rohbauarbeiten.
Bis einschließlich April 1999 nahm die Beklagte am bautariflichen Urlaubskassenverfahren teil. Für März 1999 meldete und zahlte sie an den Kläger Beiträge in Höhe von 2.448,74 DM, für April 1999 1.384,35 DM.
Der Kläger hat di...