Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Verfügung auf Beschäftigung. Zwar ist richtig, dass der einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nehmende Arbeitnehmer durch langes Zuwarten die nach § 940 ZPO erforderliche Dringlichkeit einer Befriedigungsverfügung selbst widerlegen kann. Dies gilt jedoch nicht, solange der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber Verhandlungen über eine gütliche Beilegung des Streits führt. Erst wenn diese gescheitert sind, hat der Arbeitnehmer den Beschäftigungsanspruch alsbald geltend zu machen. Selbstwiderlegung durch Zuwarten. Verfügungsgrund
Leitsatz (redaktionell)
Führt der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber noch Verhandlungen über eine gütliche Einigung, wird durch Zuwarten der Geltendmachung des Beschäftigungsanspruchs nicht die Dringlichkeit einer einstweiligen Verfügung selbst widerlegt.
Normenkette
ZPO §§ 940, 935
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.01.2010; Aktenzeichen 8 Ga 213/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. Januar 2010 – 8 Ga 213/09 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:
Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, den Verfügungskläger bis zum Vorliegen einer erstinstanzlichen Entscheidung in dem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main – 8 Ca 1009/10 – als Personalsachbearbeiter zu beschäftigen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Tatbestand
Die Parteien streiten in dem vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren über die Weiterbeschäftigung des Verfügungsklägers als Personalsachbearbeiter in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis. Zwischen den Parteien ist vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 8 Ca 1009/10 das Hauptsacheverfahren anhängig.
Der Verfügungsbeklagte ist ein freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Der am 2. April 1954 geborene Verfügungskläger ist seit 1. Juli 1989 zunächst als Verwaltungsangestellter und seit 1. Mai 2001 als Personalsachbearbeiter im Umfang einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden zu einer Bruttomonatsvergütung von 1725,41 EUR bei dem Verfügungsbeklagten beschäftigt. Der Verfügungskläger ist schwerbehindert mit einem GdB von 65.
Wegen dem aus Sicht des Verfügungsbeklagten hoch emotionalen und aggressiven Verhalten des Verfügungsklägers gegenüber Arbeitskolleginnen in einer Besprechung zur Teamentwicklung vom 29. bis 30. September 2009 stellte der Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger am 30. September 2009 ab 1. Oktober 2009 widerruflich unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung frei. Nachdem der Verfügungskläger mit Anwaltsschreiben vom 8. und 12. Oktober 2009 seinen Beschäftigungsanspruch geltend machte, teilte der Verfügungsbeklagte ihm unter dem 14. Oktober 2009 mit, man sei bemüht eine Gesamtlösung zu finden. Mit Schreiben vom 27. Oktober 2009 teilte der Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger mit, man sei bereit ihm einen Home-Office-Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und werde in den nächsten Tagen den künftigen Arbeitsbereich mit dem Verfügungsbeklagten besprechen. In einem am 3. November 2009 geführten Telefonat zwischen dem Verfügungskläger und der Mitarbeiterin der Verfügungsbeklagten, Frau A, wurden als Themengebiete der Tätigkeit des Verfügungsklägers die Arbeitssicherheit und das Gesundheitsmanagement angedacht, sowie dass der Kläger bis zur Aufnahme der Tätigkeit in dem Home-Office, die für Anfang Dezember 2009 ins Auge gefasst wurde, seinen Resturlaubsanspruch von 12 Tagen einbringen werde. Mit Schreiben vom 20. November 2009 (Blatt 21 der Akten) unterbreitete der Verfügungsbeklagte dem Verfügungskläger den Vorschlag einer Vereinbarung über die Tätigkeit in dem Home-Office; insoweit wird auf Blatt 23, 24 der Akten Bezug genommen. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 24. November 2009 (Blatt 27, 28 der Akten) ließ der Verfügungskläger mitteilen, dass der Vertragsvorschlag für ihn völlig inakzeptabel ist und verlangte seine ordnungsgemäße Weiterbeschäftigung. Am 30. November 2009 teilte der Gesamtschwerbehindertenvertreter der Verfügungsbeklagten mit, dass der Verfügungskläger bei der Einrichtung des Home-Office den zuständigen Integrationsfachdienst eingebunden haben möchte. Deshalb wandte sich Frau A am 3. Dezember 2009 an den Verfügungskläger und bat ihn auf seinem Anrufbeantworter um einen Rückruf für eine Terminsabstimmung mit dem Integrationsfachdienst. Am selben Tag teilte dessen Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten mit, dass der Verfügungskläger der Einrichtung des Home-Office-Arbeitsplatzes nicht zustimmt und die unverzügliche Beendigung seiner Freistellung fordert; insoweit wird auf Blatt 29, 30 der Akten verwiesen.
Mit seinem am 10. Dezember 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat der Kläger seine Weiterbeschäftigung als Personalsachbearbeiter in seinem bisherigen Aufgabenbereich gelte...