Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Verfügung auf Beschäftigung im ungekündigten Arbeitsverhältnis
Orientierungssatz
1. Dem Verfügungskläger, der Betriebsratsmitglied ist, wurde vom Arbeitgeber ein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt, mit dem unter Verwendung einer sog. DuoBill-Nr. privat telefoniert werden durfte. Der Verfügungskläger verursachte – ohne von der Möglichkeit der DuoBill-Nr. Gebrauch zu machen- im Zeitraum von April 2008 bis Januar 2010 durch den Einsatz des Mobiltelefons im Ausland Telefonkosten in Höhe von 543,16 EUR. Anfang März 2010 stellte die Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger von der Arbeitsleistung frei und leitete ein Verfahren nach § 103 BetrVG ein, in dem für den 10. Mai 2010 Termin anberaumt wurde. Am 7. Mai 2010 beantragte der Verfügungskläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Beschäftigung.
2. Ein Verfügungsanspruch besteht. Im ungekündigten Arbeitsverhältnis besteht grundsätzlich ein Beschäftigungsanspruch. Das Interesse der Verfügungsbeklagten an der Nichtbeschäftigung überwiegt nicht das Beschäftigungsinteresse des Verfügungsklägers. Es ist möglich, das Arbeitsverhältnis in einer Weise fortzusetzen, dass weitere Privattelefonate des Verfügungsklägers auf Kosten der Verfügungsbeklagten ausgeschlossen werden können. Zwar benötigt der Verfügungskläger für die Ausübung seiner Tätigkeit ein Mobiltelefon. Der Verfügungsbeklagten steht es jedoch frei, dieses dem Verfügungskläger ausschließlich für die dienstliche Nutzung zu überlassen.
3. Der Verfügungsgrund wurde nicht vom Verfügungskläger durch Zeitablauf vereitelt. Es war sachgerecht, den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung auf Beschäftigung zeitnah vor dem Termin in dem Verfahren nach § 103 BetrVG einzureichen, um dort insgesamt zu einer Einigung über die Frage des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses zu gelangen.
Normenkette
ArbGG § 62 Abs. 2 S. 1; BGB §§ 242, 613, 611; ZPO §§ 940, 935
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.05.2010; Aktenzeichen 24 Ga 99/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Mai 2010 – 24 GA 99/10 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:
Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, den Verfügungskläger bis zum Vorliegen einer erstinstanzlichen Entscheidung in dem beim Arbeitsgerichts Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 24 Ca 3748/10 anhängigen Rechtsstreits als Hubwagenfahrer zu beschäftigen.
Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in dem einstweiligen Verfügungsverfahren über den Anspruch des Verfügungsklägers auf Beschäftigung im ungekündigten Arbeitsverhältnis.
Die Verfügungsbeklagte betreibt auf verschiedenen Flughäfen Airline-Catering. Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet. Der XX Jahre alte, verheiratete, zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Verfügungskläger ist seit 15. Juli 1999 als Hubwagenfahrer im Betrieb ZD der Verfügungsbeklagten beschäftigt. Ihm wurde am 19. Oktober 2006 für die Kommunikation mit der Einsatzzentrale und anderen betrieblichen Ansprechpartnern ein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt. Im Zusammenhang damit erhielt der Verfügungskläger ein Schreiben der Verfügungsbeklagten vom selben Tag, indem es heißt:
„Die o.g. Telefonnummer ist nur für dienstliche Verwendung vorgesehen. Für private Gespräche ist die private DuoBill-Nr. zu verwenden.”
Der Verfügungskläger machte von der Möglichkeit der Nutzung der DuoBill-Nr. Gebrauch.
Anfang 2010 führte die Verfügungsbeklagte im Bereich Transport eine Überprüfung der Handyrechnungen durch und stellte fest, dass der Verfügungskläger in der Zeit von April 2008 bis Januar 2010 unter seiner dienstlichen Handynummer 115 SMS und 13 MMS verschickte sowie durch den Einsatz des Handys im Ausland Telefonkosten in Höhe von 543,16 EUR verursachte.
Hiervon erhielt die damalige Personalleiterin der Verfügungsbeklagten am 3. März 2010 Kenntnis und bat den Verfügungskläger am selben Ta g um Stellungnahme bis 8. März 2010. Am 3. oder 4. März 2010 wurde der Verfügungskläger von der Arbeitsleistung freigestellt. Auf Wunsch des Verfügungsklägers bzw. seines Prozessbevollmächtigten verlängerte die Verfügungsbeklagte die Frist zur Stellungnahme bis 11. März 2010. Unter dem 12. März 2010 hörte sie den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist an. Nachdem der Betriebsrat mit Schreiben vom 15. März 2010 die Zustimmung verweigerte, leitete die Verfügungsbeklagte am 22. März 2010 ein Zustimmungsersetzungsverfahren ein, das beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 24 BV 181/10 anhängig ist und dem Verfügungskläger am 10. April 2010 zugestellt wurde. Unter dem 12. April 2010 forderte der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers von der Verfügungsbeklagten die Aufhebung der Suspendierung und die vertragsgemäße Beschäftigung des Verfügungsklägers. Nachdem in dem Verfahren 24 BV 181/10 d...