Entscheidungsstichwort (Thema)

Feiertagsarbeit. Freizeitausgleich

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Auslegung eines Tarifvertrage kann ergeben, dass der dort verwendete Begriff „Wochenfeiertage” nach der Terminologie der Tarifvertragsparteien alle gesetzlichen Feiertage unabhängig davon umfasst, ob diese auf ein Wochenende fallen oder nicht.

 

Normenkette

MTV Uni-Klinikum Gießen und Marburg vom 05.12.2007 §§ 9, 11-12

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Urteil vom 17.09.2010; Aktenzeichen 4 Ca 192/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.06.2013; Aktenzeichen 6 AZR 696/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 17. September 2010 – 4 Ca 192/10 – abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die am 03. Oktober 2009 erbrachten 7,5 Arbeitsstunden bezahlten Freizeitausgleich zu gewähren.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich. Die Beklagte betreibt ein Klinikum. Die Arbeitsbedingungen der Belegschaft der Beklagten richten sich nach von der Beklagten mit der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Haustarifverträgen. Der Manteltarifvertrag der Beklagten vom 05. Dezember 2007 (nachfolgend MTV) enthält unter anderem folgende Regelungen:

㤠9 Arbeitszeit

1. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich. Diese verteilt sich in der Regel auf 5 Tage, es sei denn aus betrieblichen Gründen wird mit einer 5,5-Tage-Woche geplant.

3. Die regelmäßige Arbeitszeit vermindert sich bezogen auf die 5-Tage-Woche für jeden gesetzlich anerkannten Wochenfeiertag, der auf einen Montag bis Freitag fällt, um 1/5 der persönlichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit.

§ 11 Überstunden-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit

4. Überstunden sind grundsätzlich durch entsprechend zusammenhängende bezahlte Freizeit ohne Zeitzuschlag in dem Dienstplanungszeitraum, max. ein Monat, auszugleichen, in dem sie entstanden sind. Die in der letzten Woche des Dienstplanungszeitraumes entstandenen Überstunden können ohne Zeitzuschlag in den darauf folgenden zwei Wochen ausgeglichen werden.

10. Arbeitnehmer, welche regelmäßig an Sonn- und Feiertagen arbeiten, erhalten innerhalb von zwei Wochen zwei zusammenhängende arbeitsfreie Tage, die auf ein Wochenende (Samstag/Sonntag) fallen sollen. Für geleistete Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen, soweit diese über die Verminderung der Arbeitszeiten nach § 9 Abs. 3 hinaus gegangen ist, ist entsprechende bezahlte Arbeitsbefreiung innerhalb von drei Monaten zu gewähren. Ein Anspruch nach Absatz 4 besteht nicht zusätzlich.

Diese Regelung findet analoge Anwendung für Beschäftigte im Nachtdienst.

§ 12 Zeitzuschläge, Überstundenvergütung

1. Die Arbeitnehmer erhalten neben ihrer Vergütung (§ 18) Zeitzuschläge.

Sie betragen je Stunde:

c) bei Arbeiten an gesetzlichen Wochenfeiertagen, auch wenn sie auf einen Sonntag fallen, sowie am Ostersonntag und am Pfingstsonntag 35 %.

Zusätzlich wird Freizeitausgleich nach § 11 Abs. 10 gewährt, soweit dieser nicht bereits im Rahmen der 5-Tage-Woche bzw. § 9 Abs. 3 Berücksichtigung fand.”

Wegen des vollständigen Inhalts des MTV wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 16. September 2010 (Bl. 40 – 72 d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte praktizierte diese Regelungen in ständiger Praxis so, dass allen Arbeitnehmern für gesetzliche Feiertage von Montag bis Freitag gemäß § 9 Nr. 3 MTV Freizeitausgleich gewährt wurde, selbst wenn diese an den betreffenden Feiertagen nicht gearbeitet hätten, weil sie etwa in Teilzeit arbeiten oder Schichtdienst an Wochenenden leisten. § 11 Nr. 10 S. 2 MTV wendete die Beklagte nur an, wenn sich die regelmäßige Arbeitszeit wegen eines Feiertags von Montag bis Freitag reduzierte, der betreffende Arbeitsnehmer jedoch an diesem Feiertag gleichwohl Arbeitsleistung erbrachte und wenn der Arbeitnehmer an diesem Feiertag mehr als ein Fünftel der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit leistete.

Der Kläger ist für die Beklagte seit 1995 als Krankenpfleger mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 28,875 Wochenstunden zu einer Bruttomonatsvergütung von 2.148,75 EUR tätig. Er wird regelmäßig im Schichtdienst an Wochenenden eingesetzt. So war er auch am Samstag, dem 03. Oktober 2009 dienstplanmäßig eingeteilt. Er arbeitete an diesem Tag 7,5 Stunden, für die er von der Beklagten gemäß deren ständiger Praxis keinen Freizeitausgleich erhielt. Der Kläger machte für diesen Tag mit Schreiben vom 14. November 2009 Freizeitausgleich geltend. Diesen Anspruch verfolgt er im vorliegenden Rechtsstreit weiter.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 78 – 80 d. A.) Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und sich zur Begründung der Auffassung der Beklagten angeschlossen. Wochenfeiertage im Sinne des MTV seien die gesetzlichen Feiertage, die auf einen Montag bis Freitag fallen. Durch diese ...

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