Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütungspflicht für Umkleidezeiten für das Tragen besonders auffällige Schutzkleidung im Geltungsbereich des Manteltarifvertrages der Volkswagen AG

 

Leitsatz (amtlich)

1) Grundsätzlich sind Umkleidezeiten (und dadurch veranlasste Wegezeiten) für das Tragen besonders auffälliger Schutzkleidung als Arbeitszeiten gemäß § 611a Abs. 2 BGB vergütungsplflichtig.

2) Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann für Umkleide- und Wegezeiten eine gesonderte Vergütungsregelung getroffen werden, die Vergütungspflicht kann ausgeschlossen werden (Anschluss an BAG 12. Dezember 2018 - 5 AZR 124/18-).

3) Nach § § 7.1.2.1 Satz 3, 28.2 des Manteltarifvertrages der Volkswagen AG vom 15.12.2008 i.d.F. von 05. März 2018 bestehen tarifl. Rgelungen, die die Vergütung der Umkleide- und Wegezeiten ausschließen.

 

Normenkette

BGB § 611a; MTV VW

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Entscheidung vom 08.06.2018; Aktenzeichen 2 Ca 14/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.07.2021; Aktenzeichen 5 AZR 572/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 08. Juni 2018 – 2 Ca 14/18 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob Umkleidezeiten und damit zusammenhängende innerbetriebliche Wegezeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit sind.

Die Beklagte produziert Fahrzeuge an mehreren Standorten in der Bundesrepublik. In ihrem Werk in A (bei B) gilt Vertrauensarbeitszeit, eine Stechuhr gibt es nicht. Als Arbeitszeiten werden grundsätzlich die Schichtzeiten erfasst, dies gilt auch, wenn Arbeitnehmer später zur Arbeitsstelle kommen. Vom Teamsprecher oder Meister der jeweiligen Schicht/Abteilung werden die Anwesenheit bzw. Abwesenheit der Mitarbeiter im Computer erfasst, allerdings nicht „sekundengenau“. In der Berufungsverhandlung vom 02. August 2019 haben die Parteien erklärt, dass -soweit B als Arbeitsort oder Ort der Niederlassung der Beklagte genannt sei- damit A gemeint sei.

Der Kläger ist seit 17. Oktober 2014 bei der Beklagten im Werk A beschäftigt und seit 2011 Mitglied der IG-Metall. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien heißt es u.a.:

„Arbeitszeit

Ihre durchschnittliche Wochenarbeitszeit wird durch die jeweils gültigen Tarifverträge geregelt; sie beträgt demnach zurzeit 35 Wochenstunden.

Die Lage der Arbeitszeit richtet sich im Übrigen nach den betrieblichen Regelungen, die für die Abteilung gelten, in der Sie eingesetzt sind.

Vergütung

Die monatliche Bruttovergütung richtet sich nach den tariflichen Bestimmungen in ihrer jeweils gültigen Fassung; sie beträgt zurzeit gemäß Entgeltstufe 11

3731,50 €

Weitergehende Leistungen richten sich nach den für sie geltenden tariflichen und betrieblichen Regelungen.

(…)

Schlussbestimmungen

(…)

Das Arbeitsverhältnis unterliegt den jeweils für den Betrieb oder Betriebsteil des Arbeitgebers fachlich/betrieblich anzuwendenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung.

Im Übrigen gelten die einschlägigen gesetzlichen und betrieblichen Regelungen -einschließlich der Arbeitsordnung- in ihrer jeweils gültigen Fassung, soweit in diesem Vertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.“ Wegen der weiteren Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrages wird auf die Anl. B1, Bl. 93-95 der Akte Bezug genommen.

Er ist in der Gießerei im Bereich Schmelze als Gießerei-Mechaniker, im 3-Schicht-System mit wöchentlich 35 Stunden tätig und hat bei einer Eingruppierung in Entgeltstufe 12 von September bis Dezember 2017 monatlich 4.254,00 EUR brutto verdient. Die Höhe der monatlichen Vergütung ist nach der ersten Verhandlung der Berufungskammer am 02. August 2019 unstreitig geworden.

Als Mitarbeiter der Gießerei wird dem Kläger vor dem Ende der jeweiligen Schicht eine bezahlte Waschzeit nach § 28 Abs. 2 MTV von jeweils 10 Minuten gewährt. Die Länge der täglichen Pausenzeit pro Schicht ergibt sich für die Mitarbeiter im Werk A aus der Betriebsvereinbarung Nr. 02/2007 vom 21. August 2007 (BV Nr. 02/2007), wegen deren Einzelheiten wird auf Bl. 43 ff d. A. Bezug genommen. Beim Kläger im 3-Schicht-System werden pro Schicht 64 Minuten als bezahlte Pause gewährt (insoweit wird auf die Anlage zur BV Nr. 02/2007, Bl. 49 d. A. Bezug genommen). In der Berufungsverhandlung vom 02. August 2019 haben die Parteien unstreitig gestellt, dass diese Betriebsvereinbarung weiterhin gilt.

Da die Kapazitäten der Duschen begrenzt sind, ist auf Wunsch der Mitarbeiter mit dem Betriebsrat abgestimmt, dass die Gießereimitarbeiter vor Schichtende zusätzlich noch 10 Minuten Pause nehmen, infolgedessen sind die letzten 20 Minuten der Arbeitszeit einer Schicht des Klägers eine Kombination aus bezahlter Pause und bezahlter Waschzeit.

Entsprechend stellen sich im 3-Schicht-System die Arbeitszeiten wie folgt dar:

Frühschicht

Spätschicht

Nachtschicht

Beginn

06:30 Uhr

14:30 Uhr

22:30 Uhr

10 Min Waschzeit

ab 14:10 Uhr

ab 22:10 Uhr

ab 06:10 Uhr

Ende

14:30 Uhr

22:30 Uhr

06:30 Uhr

Bezahlte Pause pro Schicht

64 Minuten

64 Minuten

64 Minuten

Hinsichtlich der ...

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