keine Angaben zur Anfechtbarkeit
Entscheidungsstichwort (Thema)
Diskriminerung. Vermutung. Schwerbehindeter. behinderter Mensch. Einstellung. Vorstellungsgespräch. öffentlicher Dienst. Eignung
Leitsatz (amtlich)
Eine Vermutung der Benachteiligung (Diskriminierung) eines Schwerbehinderten bei der Einstellung im Bereich des öffentlichen Dienstes wegen Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch liegt nicht vor, wenn dem behinderten Bewerber offensichtlich die fachliche Eignung fehlt (hier: keine beruflichen Erfahrungen, die nach dem nicht zu beanstandenden Stellenprofil Stellenanforderungsmerkmal waren).
Normenkette
AGG 15; AGG 22; ArbGG 61b; SGB IX 81; SGB IX 82
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Urteil vom 14.12.2007; Aktenzeichen 4 Ca 317/07) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 14. Dezember 2007 – 4 Ca 317/07 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger eine Entschädigung zu zahlen hat, weil sie ihn bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses wegen seiner Behinderung benachteiligt hat.
Der Rechtsvorgänger der Beklagten betrieb bis zum 19. Dezember 2007 als nicht rechtsfähigen Eigenbetrieb das Zentrum für A. An diesem Tag wurde der bisherige Eigenbetrieb als gemeinnützige GmbH, dh. die Beklagte in das Handelsregister eingetragen. Bei der Beklagten sind durchschnittlich 9,76 % Arbeitsplätze mit behinderten Menschen besetzt (Bl. 72 d.A.). Der am 25. März 1962 geborene, verheiratete Kläger ist ausgebildeter Krankenpfleger und hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 anerkannt bekommen. Er hatte seit Juli 2001 bei der von dem Rechtsvorgänger der Beklagten betriebenen Klinik für B in C als Krankenpfleger gearbeitet und am 28. September 2006 erfolgreich eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten abgeschlossen. Wegen der Einzelheiten der Prüfungsergebnisse und Prüfungsfächer wird auf die Kopie des Prüfungs- und Abschlusszeugnisses Bl. 15 f. d.A. Bezug genommen. In seiner Stellenbörse schrieb der Rechtsvorgänger der Beklagten die Stelle eines Bürokaufmanns/- frau/Verwaltungsangestellte/n am Standort D in der Personalabteilung us. als erforderlicher Berufsabschluss wurde der eines Bürokaufmanns/-frau genannt und die Einstellungsvoraussetzungen wie folgt beschieben: abgeschlossene kaufmännische Ausbildung Erfahrungen/Vorkenntnisse im Bereich Personalwesen theoretische und praktische EDV-unterstützte Kenntnisse (z.B. in MS-Office-Anwendungen, SAP/R 3).
Das Aufgabengebiet wurde wie folgt beschieben: Personalsachbearbeitung und -führung Anlegen, führen und verwalten von Personalakten Rechnungsbearbeitung (hier möglichst SAP-Kenntnisse) Allgemeiner Schriftverkehr für die Abteilung.
Das Monatsgehalt für diese Stelle betrug seinerzeit gemäß dem TVöD monatlich EUR 1.723,00 brutto. Mit Schreiben vom 3. April 2007 bewarb sich der Kläger um die Stelle. Wegen der Einzelheiten des Bewerbungsschreibens und der beigefügten Bewerbungsunterlagen wird auf Bl. 12-37 d. A. Bezug genommen. Der Rechtsvorgänger der Beklagten lehnte die Bewerbung des Klägers mit Schreiben vom 29. Mai 2007 mit dem Hinweis, dass die Stelle anderweitig besetzt worden sei, ab. Wegen des Wortlautes des Schreibens wird auf die Kopie (Bl. 38 d.A) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 20. Juni 2007 verlangte die Prozessbevollmächtigte des Klägers von dem Beklagten eine Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund der bestehenden Schwerbehinderung. Der Kläger hat mit einem am 2. August 2007 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Klage auf Zahlung einer Entschädigung erhoben.
Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhaltes, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Gießen vom 14. Dezember 2007 gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen (Bl. 87-90 d. A.).
Das Arbeitsgericht Gießen hat durch vorgenanntes Urteil der Klage stattgegeben. Es hat angenommen, die Beklagte schulde dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von EUR 5.169,00. Die Klage sei zulässig und der Kläger habe auch Tatsachen vorgetragen, die vermuten lassen, dass er wegen seiner Schwerbehinderteneigenschaft benachteiligt worden sei. Der Beklagte als öffentlicher Arbeitgeber habe ihn entgegen § 82 Satz 2 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Diese Tatsache sei geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung zu begründen. Die Einladung sei auch nicht entbehrlich gewesen, denn dem Kläger fehle für die ausgeschriebene Stelle nicht offensichtlich die fachliche Eignung im Sinne des § 82 Satz 3 SGB IX. Ob ein Bewerber offensichtlich nicht die notwendige fachliche Eignung habe, sei anhand der für die zu besetzende Stelle bestehenden Ausbildungs- oder Prüfungsvoraussetzungen zu beurteilen. Nach der Stellenausschreibung seien Einstellungsvoraussetzungen die abgeschlossene kaufmännische ...