Entscheidungsstichwort (Thema)
Ungeeignetheit eines elektronischen Dokuments bei fehlender Durchsuchbarkeit des Textes. Anforderungen an elektronisch eingereichtes Dokument für gerichtliche Bearbeitung. Faires Verhandeln über Aufhebungsvertrag bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Überlegungsfrist und Gebot des fairen Verhandelns
Leitsatz (amtlich)
1. Ein elektronisch eingereichtes Dokument ist nicht ungeeignet für die gerichtliche Bearbeitung i.S.d. § 130a Abs. 2 ZPO i.V.m. § 2 Abs. 1 Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV), wenn sich die fehlende Durchsuchbarkeit nur auf den verwendeten Kanzleibriefkopf, nicht aber auf den Text des Dokuments bezieht.
2. Gegen das Gebot des fairen Verhandelns wird nicht dadurch verstoßen, dass Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag während einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers geführt werden. Gegen eine unfaire Verhandlungsführung sprach im konkreten Fall, dass sich die Verhandlungen über mehrere Wochen hinzogen, dem Kläger eine Überlegungsfrist von mehreren Tagen gesetzt worden ist, dass er diese Zeit auch nutzte, um den Entwurf des Arbeitgebers einem Rechtsanwalt zur Prüfung vorzulegen und er jederzeit auf den Inhalt des Aufhebungsvertrags Einfluss nehmen konnte und auch Einfluss ausgeübt hat
Normenkette
ZPO § 130a Abs. 2; ERVV § 2 Abs. 1; BGB § 105 Abs. 2, § 241 Abs. 2; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 02.07.2020; Aktenzeichen 19 Ca 440/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines zwischen ihnen Ende 2017 geschlossenen Aufhebungsvertrages.
Der Kläger ist am XX.XX.1959 geboren und war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin ab dem 1. Juli 2014, zunächst auf Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrages, als „Projektingenieur Windenergie“ tätig. Das Bruttomonatsentgelt belief sich auf ca. 9.833 Euro.
Das Arbeitsverhältnis verlief nicht störungsfrei. Im April 2016 teilte sich der Kläger dem Betriebsarzt Dr. A mit und erklärte, er werde seit ca. einem halben Jahr gemobbt und leide unter Schlafstörungen (Bl. 122 der Akte). Er litt - nach eigenem Vortrag - unter nicht unerheblichen psychischen Problemen. In der Zeit vom 5. Oktober bis zum 8. Oktober 2016 befand er sich in einer stationären Behandlung wegen einer Beinvenenthrombose. Auf das Schreiben des Klinikums B vom 8. Oktober 2016 (Bl. 116 - 117 der Akte) wird verwiesen.
Mit Schreiben vom 2. November 2017 sprach die Beklagte eine Ermahnung aus, da der Kläger Dokumente an den falschen Adressaten gesandt habe (Bl. 123 - 124 der Akte).Mit Schreiben vom 10. November 2017 sprach sie eine Abmahnung aus, weil sich der Kläger im Rahmen eines Personalgesprächs angeblich unangemessen geäußert habe (Bl. 125 - 126 der Akte).Mit einer weiteren Abmahnung vom 2. November 2017 wurde dem Kläger vorgeworfen, Abgabetermine nicht eingehalten zu haben (Bl. 127 - 128 der Akte).
Ab November 2017 verhandelten die Parteien über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags. Mit E-Mail vom 7. Dezember 2017 wurde dem Kläger der Entwurf eines Aufhebungsvertrages zugesandt und um eine Rückmeldung bis zum 12. Dezember 2017 gebeten. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2017 teilte der Kläger mit, dass er einen Anwalt erreicht habe und dieser nach einer Prüfung für den Vertrag grünes Licht gegeben habe. Wegen des E-Mail-Verkehrs im Einzelnen wird Bezug genommen auf Bl. 73 - 76 der Akte.
Am 17. Januar 2018 gab es ein Gespräch zwischen den Parteien, in dem noch einzelne Punkte, z.B. die Frage der Rückgabe des Dienstwagens, nachverhandelt wurden. Daraufhin wurde der Aufhebungsvertrag von beiden Seiten unterschrieben. Ob der Kläger bereits am 7. Dezember 2017 seine Unterschrift ein weiteres Mal geleistet hat, ist zwischen den Parteien streitig. Der - jedenfalls im Januar 2018 zustande gekommene - Aufhebungsvertrag lautet auszugsweise wie folgt (Bl. 25 - 26 der Akte):
„Aufhebungsvertrag:
§ 1 Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Das seit dem 01.07.2014 bestehende Anstellungsverhältnis zwischen der C und Herrn D wird im gegenseitigen Einvernehmen zum 31.12.2019 beendet.
§ 2 Vorzeitige Freistellung/Jahresurlaub
Die C stellt Herrn D ab 01.01.2018 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung der laufenden Arbeitsbezüge von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Bestehende Urlaubskontingente werden auf die Freistellung angerechnet. ....“
In der Folge wurde der Kläger freigestellt und erhielt bis zum 31. Dezember 2019 das Entgelt weitergezahlt.
Die behandelnde Fachärztin des Klägers, Frau Dr. E, erstellte unter dem 30. April 2020 ein ärztliches Attest. Darin heißt es wie folgt (Bl. 129 der Akte):
„Herr D ist seit vielen Jahren in meiner hausärztlichen Praxis bekannt.
Im Laufe der Behandlung war es nötig, Antidepressiva und Tranquilizer zu verordnen. Diese Medikamente verändern den Bewusstseinszustand, so dass der Patient unter Einfluss dieser Mittel nur eingeschränkt ...