Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahren bei elektronischer Einreichung der Berufungsbegründungsschrift in einem nicht durchsuchbaren Format nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Reicht der Rechtsmittelführer die Berufungsbegründungsschrift in einem nicht durchsuchbaren Format, § 130a Abs. 2 S. 2 ZPO i.V.m. § 2 Abs. 1 S.1 ERVV und zudem nach Fristablauf ein, kann er nach § 130a Abs. 6 S.2 ZPO nur erreichen, dass eine den Vorgaben entsprechende Berufungs-begründungsschrift auf den (verspäteten) Eingang der ursprünglich formatfehlerhaft eingereichten Berufungsbegründungsschrift zurückwirkt. Das Gericht hat gleichwohl den Hinweis nach § 130a Abs. 6 S. 1 ZPO zu erteilen. Der Berufungsführer kann sodann betr. die verfristet eingegangene Berufungsbegründungsschrift einen Wiedereinsetzungsantrag nach § 233 ZPO stellen und gleich-zeitig nach § 130a Abs. 6 S. 2 ZPO vorgehen.

 

Normenkette

ZPO § 130a Abs. 2; ERVV § 2 Abs. 1; ZPO §§ 233, 130a Abs. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 04.06.2020; Aktenzeichen 26 Ca 8354/19)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juni 2020 – 26 Ca 8354/19 – wird unter Zurückweisung seines Antrags auf Wiedereinsetzung auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen ein Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juni 2020 und begehrt im Rahmen dessen die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Die Parteien streiten in der Sache um Urlaubsabgeltung. Das Arbeitsgericht hat die Klage vollständig abgewiesen. Dem Kläger, der sich als Rechtsanwalt selbst vertritt, wurde das Urteil des Arbeitsgerichts am 13. Juli 2020 mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung förmlich zugestellt (EB Bl. 134 der Akte). Mit Berichtigungsbeschluss vom 7. August 2020 berichtigte das Arbeitsgericht die Entscheidungsgründe des Urteils dergestalt, dass unter Ziff. B der erste Absatz lautet: „Die Kosten des Verfahrens hat der unterliegende Kläger zu tragen, § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO.“ Im Tenor des Urteils ist die Kostenentscheidung zutreffend. Der Berichtigungsbeschluss wurde dem Kläger am 1. September 2020 (EB Bl. 137 der Akte) zugestellt.

Unter dem 13. August 2020 hat der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt. Im Rahmen des Berufungsschriftsatzes beantragte der Kläger die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13. Oktober 2020, mit Beschluss vom 18. August 2020 wurde die Berufungsbegründungsfrist (Bl. 150 der Akte) antragsgemäß verlängert. Der Kläger beantragte mit am 9. Oktober 2020, einem Freitag, bei Gericht eingegangenen Schriftsatz, die Berufungsbegründungsfrist um einen weiteren Monat bis zum 13. November 2020 zu verlängern. Mit Beschluss vom 12. Oktober 2020 wies die erkennende Kammer den erneuten Fristverlängerungsantrag des Klägers mit der Begründung zurück, dass eine zweite Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 66 Abs. 1 S. 6 ArbGG unzulässig ist.

Am 14. Oktober 2020 um 00:05:49 Uhr ging auf dem Server des Landesarbeitsgerichts die auf den 13. Oktober 2020 datierte per besonderem Anwaltspostfach (künftig: beA) übermittelte achtseitige Berufungsbegründungschrift des Klägers ein. Dem Transfervermerk zufolge (Bl. 162 der Akte) wurde die Berufungsbegründungsschrift um 00:04:23 Uhr, also erst am 14. Oktober 2020, signiert.

Nach Mitteilung des Hessischen Landesarbeitsgerichts durch Schreiben vom 16. Oktober 2020, dass die Berufungsbegründung nicht fristgemäß, sondern erst am 14. Oktober 2020 um 00:05 Uhr eingegangen sei, beantragte der Kläger ebenfalls per beA am 25. Oktober 2020 hinsichtlich der Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Verweis auf den bereits eingegangenen Berufungsbegründungsschriftsatz.

Die erkennende Kammer wies den Kläger mit Beschluss vom 27. Oktober 2020, dem Kläger zugestellt am 28. Oktober 2020 (EB Bl. 184 der Akte), darauf hin, dass sowohl die Berufungsbegründungsschrift als auch der den Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO enthaltende Schriftsatz nicht i.S.d. § 130 a Abs. 2 S. 2 ZPO i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 ERVV zur Bearbeitung geeignet sind, weil sie nicht durchsuchbar sind.

Unter dem 28. Oktober 2020 übersendete der Kläger per beA eine Stellungnahme zum Hinweisbeschluss der erkennenden Kammer, außerdem erneut die Berufungsbegründung vom 13. Oktober 2020 und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 25. Oktober 2020 und versicherte anwaltlich, dass die neu generierten PDF/A-2a bzw. PDF/A-3a Dokumente unmittelbar aus den jeweiligen Schriftsätzen erstellt worden seien und keine inhaltlichen oder sonstigen Veränderungen aufweisen. Die Schriftsätze enthalten jeweils neben dem graphisch gestalteten Briefkopf einen maschinenschriftlichen Briefkopf, der Name und Adresse des unterzeichnenden Klägers als Rechtsanwalt enthält. Anders als der graphisch gestaltete Brie...

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