Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhegeld. Altersdifferenzklausel
Leitsatz (amtlich)
1. Der Rechtsgedanke des § 3 ABG-Gesetz ist bei der aus § 242 BGB herzuleitenden Inhaltskontrolle von Vertragen zu berücksichtigen. Bedingungen, die nach den Umständen so ungewöhnlich sind, daß der Vertragspartner nicht mit ihnen zu rechnen brauchte, werden nicht Vertragsinhalt.
2. Es ist treuwidrig, wenn ein Arbeitgeber sich auf eine Klausel eines von ihm formulierten Vertrages beruft, die vorherigen Erläuterungen des Vertrages widerspricht.
3. Eine Klausel, die Ehefrauen (Witwen) von der Versorgung ausschließt, die mehr als 15 Jahre jünger sind als Empfänger des Versorgungsversprechens (Altersdifferenzklausel) können gemäß Art. 3 und 6 GG verstoßen.
Normenkette
BGB § 242; AGBG § 3; GG Art. 3, 6
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 29.11.1995; Aktenzeichen 6 Ca 2552/95) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. November 1995 – 6 Ca 2552/95 – abgeändert:
Es wird festgestellt, daß Frau C. R. K. geb. am 10.05.1946 als der Ehefrau des Klägers im Falle seines Vorversterbens gegenüber der Beklagten eine Witwenrente von 1.500,– DM brutto monatlich zusteht.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Hinterbliebenenversorgung.
Der am 09. Juni 1930 geborene Kläger trat aufgrund Anstellungsvertrages vom 21. Dezember 1968 zum Zeitpunkt der Eröffnung der Klinik der Beklagten, dem 02. April 1970, als Neurologe in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Hinsichtlich der Altersversorgung enthielt der Vertrag, auf den im übrigen Bezug genommen wird, folgende hier interessierende Bestimmungen:
„V. Versicherungen, Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenversorgung
- …
- Für den Fall einer vorzeitigen Berufsunfähigkeit erhält Herr Doz. Dr. med. W. K.” eine monatliche Invalidenrente in Höhe von DM 2.500,–. Im Falle des Ablebens des Herrn Doz. Dr. med. W. erhält seine Witwe 60 % der Invalidenrente.
- Für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung wird die DKD eine verrentbare Lebensversicherung in Höhe von DM 250.000,– zu Gunsten des Herrn Doz. Dr. med. W. auf dessen 65. Lebensjahr abschließen.
- Die DKD hat das Recht, die in den Ziff. 2. und 3. dieses Abschnittes vereinbarte Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenversorgung im Rahmen versicherungstechnischer Gegebenheiten, die z. Zt. noch verhandelt werden, umzugestalten, sofern die Herrn Doz. Dr. med. W. K. gegebenen Versorgungszusagen nicht zu seinen materiellen Ungunsten verändert werden.
- …”
Unter dem 05. März 1970 schrieb die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Kläger wegen der Altersversorgung an. Dem Kläger wurde darin mitgeteilt, daß der Versorgungsregelung eine Fassung gegeben worden sei, die von der getroffenen Vereinbarung abweiche und die einige Verbesserungen bringe. Die eingetretenen Verbesserungen ließen sich aus der beigefügten Gegenüberstellung erkennen. Weiter heißt es in dem Schreiben:
„Die in der neuen Fassung zugesagte Altersrente von monatlich DM 2.500,– würde mit Einschluß der Witwenrentenanwartschaft von monatlich DM 1.500,– einen Kaufpreis von rd. DM 480.000,– erfordern. Dies ist ein Betrag, der weit über die Versicherungssumme von DM 250.000,– ihrer Versorgungsregelung hinausgeht. Auch der Kapitalbedarf einer Witwenrente von monatlich DM 1.500,– liegt im Regelfall wesentlich höher als DM 250.000,–.”
Am Schluß des Schreibens heißt es:
„Wir bitten Sie, aufgrund all dieser Hinweise, Ihr Einverständnis dazu zu geben, daß wir in Anwendung von Abschn. V., Ziff. 4 Ihres Vertrages auch Ihre Versorgungsregelung auf die für alle anderen Verträge üblichen Grundsätze umstellen.”
Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens und der diesem anliegenden Übersicht wird auf Bl. 80 – 82 d. A. Bezug genommen.
Der Kläger unterzeichnete danach eine ihm von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorgelegte und gezeichnete „Anlage zum Vertrag vom 21. Dezember 1968”, die das Datum: „26. Februar 1969” trägt.
Diese Anlage lautet, soweit hier interessierend:
„Unter Bezug auf die Ziff. V/4 des Anstellungsvertrages des Herrn Doz. Dr. med. W. K. F. M. vom 21. Dezember 1968, wird die Ziff. V: Versicherungen, Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenversorgung wie folgt geändert:
- …
- Beim Ausscheiden aus den Diensten der DKD infolge vollständiger und dauernder Berufsunfähigkeit oder spätestens beim Ausscheiden nach Vollendung des 65. Lebensjahres erhält Herr Dozent Dr. med. W. K. eine Invaliden- bzw. Altersrente in Höhe von DM 2.500,– brutto monatlich.
Im Falle des Ablebens des Herrn Doz. Dr. med. W. K. erhält seine Witwe eine Witwenrente in Höhe von DM 1.500,– brutto monatlich.
Voraussetzung für die Zahlung der Witwenrente ist, daß die Ehe vor Eintritt der Invalidität mindestens ein Jahr bzw. vor Eintritt in den Ruhestand mindstens 5 Jahre bestanden hat und die Ehefrau nicht mehr als 15 Jahre jünger als Herr Doz. Dr. med. W. K. war.
- Der Vorstand der DKD kann in besonderen Fällen nach Anhören des ärztlichen Verwaltungsrates Ausnahmen von d...