Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässiges 2. Versäumnisurteil
Leitsatz (amtlich)
Erlässt das Arbeitsgericht gegen die säumige Partei ein zweites Versäumnisurteil nach § 345 ZPO, obgleich die Voraussetzungen hierfür mangels Säumnis im Einspruchstermin nicht vorgelegen haben und nur ein (erneutes) erstes Versäumnisurteil hätte ergehen dürfen, so ist auf die Berufung der säumigen Partei das arbeitsgerichtliche Urteil in ein erstes Versäumnisurteil abzuändern und die Sache zur Verhandlung über den in der Berufung liegenden Einspruch an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.
Normenkette
ZPO §§ 345, 342, 514
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 13.11.2002; Aktenzeichen 3 Ca 979/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das 2.Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 13. November 2002 – 3 Ca 979/01 – abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
›Versäumnisurteil
Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 10.09.2001 – 3 Ca 979/01 – wird aufrechterhalten.
Die Beklagte hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Streitwert wird auf EUR 8.362,01 festgesetzt.‹
Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Arbeitsgericht Wiesbaden zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erheben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zahlungsverpflichtungen der Beklagten an den Kläger nach den Tarifverträgen über das Sozialkassenverfahren im Gerüstbaugewerbe in Höhe von DM 16.354,67.
Nachdem der Kläger im arbeitsgerichtlichen Termin vom 10.08.2001 gegen die ordnungsgemäß geladene, aber nicht erschienene Beklagte ein klagezusprechendes Versäumnisurteil erwirkt und die Beklagte gegen dieses ihr am 09.10.2001 zugestellte Versäumnisurteil mit einem am 15.10.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt hatte, verhandelten die Parteien im Einspruchstermin vom 08.05.2002 streitig unter Stellung der Anträge. Am Schluss der Sitzung wurde der Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den 25.09.2002 bestimmt. Zu diesem auf den 13.11.2002 verlegten Termin erschien die Beklagtenseite nicht. Auf Antrag des Klägers verkündete das Arbeitsgericht ein zweites Versäumnisurteil, wonach der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 10.09.2001 verworfen wird.
Gegen dieses zweite Versäumnisurteil hat die Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 12.05.2003 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.
Die Beklagte trägt vor, sie sei am 13.11.2002 nicht schuldhaft säumig gewesen. Noch am 13.11.2002 habe sie unter Vorlage eines ärztlichen Attestes dem Arbeitsgericht mitgeteilt, dass ihr Geschäftsführer wegen eines Unfalls nicht erscheinen könne. Bei dieser Sachlage treffe sie kein Verschulden an der Terminsversäumung. Im Übrigen hätte ein zweites Versäumnisurteil nicht ergehen dürfen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden wird aufgehoben und die Sache an das zuständige Arbeitsgericht zurückverwiesen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, die Beklagte habe eine schuldlose Versäumung des Einspruchtermins nicht hinreichend dargetan.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 12.05.2003 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gem. §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) keinerlei Bedenken. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt, sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.
Unerheblich ist, dass nach § 514 Abs. 2 ZPO die Berufung gegen ein Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch nicht statthaft ist (sog. zweites Versäumnisurteil) nur darauf gestützt werden kann, dass der Fall schuldhafter Versäumung nicht vorgelegen habe. Selbst wenn man zu Lasten des Klägers unterstellt, dass ein Fall schuldloser Versäumung des arbeitsgerichtlichen Termins vom 13.11.2002 nicht schlüssig dargelegt und damit den Voraussetzungen des § 514 Abs. 2 ZPO nicht Genüge geleistet ist, schadet das im vorliegenden Fall nämlich nicht. Das Berufungsgericht muss nämlich nach § 522 ZPO von Amts wegen die Zulässigkeit eines Rechtsmittels überprüfen. Dazu gehört auch die Prüfung, ob die angefochtene Entscheidung tatsächlich ein zweites Versäumnisurteil ist, gegen das die Berufung nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 514 Abs. 2 ZPO zulässig ist.
Genau dies ist hier jedoch nicht der Fall. Denn die Voraussetzungen des § 345 ZPO für den Erlass eines zweiten Versäumnisurteils haben am 13.11.2002 nicht vorgelegen. Die Beklagte war nämlich nicht, wie es § 345 ZPO voraussetzt, im Einspruchstermin oder in dem Termin, auf den dieser ohne Verhandlung zur...