Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachteilsausgleich. Verzicht. Ausgleichsquittung
Leitsatz (amtlich)
Aufeinen Nachteilsausgleichsanspruch gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG können die Parteien jedenfalls nach dessen Entstehung durch Ausgleichsquittung verzichten, die in einem Aufhebungsvertrag aufgenommen werde.
Normenkette
BetrVG § 113
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.07.2000; Aktenzeichen 3 Ca 7723/99) |
Nachgehend
Tenor
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Nachteilsausgleichsanspruch.
Der Kläger, geboren am 14. Juli 1939, verheiratet und einer schulpflichtigen Tochter unterhaltsverpflichtet, war bei der Beklagten vom 01. November 1987 bis 30. Juni 1997 als Finanzberater im Außendienst gegen ein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen von zuletzt 5.585,00 DM beschäftigt. Zuvor war der Kläger seit 01. August 1970 bei anderen Unternehmen der … Versicherungsgruppe beschäftigt. Gemäß Schreiben vom 14. Dezember 1989 (Bl. 138 d. A.), der damals unter der Firma F. der … firmierenden Beklagten, teilte diese dem Kläger mit, dass die bei der Aachener und Münchener Gruppe verbrachte Dienstzeit des Klägers in dem aus dem Schreiben vom 14. Dezember 1989 ersichtlichen Umfang angerechnet wurde.
Die Beklagte als Tochtergesellschaft einer Bank befasst sich mit der Vermittlung von Versicherungs- und Bau sparverträgen sowie sonstigen Bankprodukten. Diese Vermittlung wurde bis 1997 durch damals ca. 60 Finanzberater im Außendienst durchgeführt. Die Außendienstmitarbeiter waren insgesamt fünf Vertriebsbereichen zugeordnet, die einem Vertriebsdirektor unterstellt waren. In den jeweiligen Vertriebsbereichen waren weniger als 21 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Verwaltungszentrale der Beklagten befindet sich in Frankfurt. In den Vertriebsbereichen war jeweils ein Betriebsrat gewählt worden, diese bildeten zusammen mit dem Betriebsrat der Hauptverwaltung in Frankfurt einen Gesamtbetriebsrat.
Im April 1997 traf die Beklagte die unternehmerische Entscheidung, sämtliche Außendienst-Mitarbeiter zu entlassen und ab 01. Juli 1997 den Vertrieb ausschließlich durch freie Handelsvertreter vornehmen zu lassen. Die Beklagte kündigte die Arbeitsverhältnisse aller angestellten Außendienst-Mitarbeiter im Mai 1997 ordentlich und übertrug den Außendienst selbständigen Handelsvertretern.
Verhandlungen über einen Interessenausgleich oder einen Sozialplan wurden weder mit den einzelnen Betriebsräten noch mit dem Gesamtbetriebsrat geführt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 21, Mai 1997 (Bl. 102 d. A.) fristgerecht zum 31. Dezember 1997 und stellte den Kläger ab 01. Juli 1997 unter Anrechnung seines Urlaubsanspruches von der Arbeitsleistung frei. Die Beklagte bot jedem Mitarbeiter, auch dem Kläger, an, sich schriftlich für eine zukünftige Tätigkeit als freier Handelsvertreter zu bewerben.
In der Folgezeit gelang es dem Kläger, aufgrund persönlicher Beziehungen eine neue Tätigkeit als Geschäftsführer einer Versicherungsmaklergesellschaft ab 01. Juli 2000 zu erhalten. Aus diesem Grund verhandelte er mit der Beklagten über eine vor Ablauf der Kündigungsfrist vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte fand sich hierzu bereit, war aber nicht dazu bereit, dem Kläger wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes eine seiner Betriebszugehörigkeit entsprechende Abfindung zu bezahlen.
Unter dem 03. Juli 1997 schlossen die Parteien, die Beklagte damals noch firmierend unter … der …, eine Vereinbarung (Bl. 9 bis 11 d. A.), nach der das Arbeitsverhältnis der Parteien aus betrieblichen Gründen auf Veranlassung der Beklagten im beiderseitigen Einvernehmen mit Ablauf des 30. Juni 1997 unter Zahlung einer einmaligen Abfindung in Höhe von 32.000,00 DM beendet wurde. Neben weiteren Vereinbarungen über die Übertragung von Versorgungsansprüchen, die Regelung des Resturlaubes, die Herausgabe von Arbeitsmitteln, die Zeugniserteilung und die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen enthält die Vereinbarung unter Ziffer 8 folgende Bestimmung:
„Mit Abschluss dieser Vereinbarung und Erfüllung der sich hieraus ergebenden Verpflichtungen sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung – gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt – abgegolten bis auf die Herausgabe der ordnungsgemäß ausgefüllten Arbeitspapiere an Herrn …”
Ab 01. Juli 1997 war der Kläger als Geschäftsführer der genannten Versicherungsmaklergesellschaft tätig.
Mit am 19. Oktober 1999 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage macht der Kläger einen Anspruch auf Nachteilsausgleich geltend.
Der Kläger ist der Auffassung gewesen, die von der Beklagten durchgeführte Betriebsänderung sei interessenausgleichspflichtig gewesen, sodass ihm mangels Durchführung von Interessenausgleichsverhandlungen ein Nachteilsausgleichsanspruch gem. § 113 Abs. 3 BetrVG zustehe. Die im Aufhebungsvertrag getroffene Regelung könne weder als Verzicht noch als Vergleic...