Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Director Institutional Banking einer australischen Bank. Voraussetzungen des nachwirkenden Kündigungsschutzes gemäß § 4f Abs. 3 S. 5 BDSG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der nachwirkende Kündigungsschutz gemäß § 4f Abs. 3 S. 5 BDSG a.F. setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Beschäftigtenzahl nicht unter den Schwellenwert des §§ 4f Abs. 1 S. 4 BDSG a.F. gesunken ist, ohne dass es eines gesonderten Widerrufs der Bestellung bedarf.

2. Außerhalb des sachlichen Geltungsbereichs des KSchG ist die Zahl der Fälle, in denen eine der Prüfung auf ihre Sozialwidrigkeit entzogene Kündigung offenbar willkürlich und damit nach § 242 BGB unwirksam ist, auf Ausnahmefälle beschränkt.

 

Normenkette

BDSG a.F. § 4 f Abs. 3 S. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 09.11.2017; Aktenzeichen 21 Ca 2986/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 09. November 2017 – 21 Ca 2986/17 – abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12. April 2017 mit dem 30. September 2017 geendet hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 95% und die Beklagte 5% zutragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier ordentlicher Kündigungen.

Der Kläger arbeitete bei der Beklagten – einem australischen Bankinstitut, dass u. a. in A eine Niederlassung unterhält – seit dem 01. April 2010 als Director Institutional Banking. Zu diesem Zeitpunkt waren in der Niederlassung neun Beschäftigte tätig, die alle ständig automatisiert personenbezogene Daten verarbeiteten. Am 08. April 2010 wurde der Kläger als einer von zwei Geschäftsleitern der Niederlassung nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 KWG in das Handelsregister eingetragen. Mit Schreiben vom 01. Juni 2010 bestellte die Beklagte den Kläger gem. § 4 f BDSG in der bis zum 24. Mai 2018 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) zum Beauftragten für den Datenschutz. Ausweislich verschiedener „Organisationcharts“ beschäftigte die Beklagte in den Jahr 2010 bis 2015 zwischen zehn und dreizehn, im Jahr 2016 neun Mitarbeiter in der Niederlassung in A.

Mit Schreiben vom 12. April 2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers „ordentlich unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist“ zum 31. Juli 2017, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin. Mit weiterem Schreiben vom selben Tag kündigte sie es „ordentlich unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist“ zum 30. September 2017, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungen beschäftigte die Beklagte in der Niederlassung insgesamt acht Arbeitnehmer.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigungen seien willkürlich, da die von der Beklagten behauptete Unternehmerentscheidung bankenaufsichtsrechtlich nicht umsetzbar sei. Ferner habe ihm aufgrund des Sonderkündigungsschutzes nach § 4 f Abs. 3 S. 5 BDSG aF nur außerordentlich gekündigt werden können.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Seitens der Beklagten mit Schreiben vom 12. April 2017 ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht zum 31. Juli 2017 aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Seitens der Beklagten mit Schreiben vom 12. April 2017 ausgesprochene weitere ordentliche Kündigung nicht zum 30. September 2017 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, dem Kläger stehe kein Sonderkündigungsschutz zu. Sie sei eine Kapitalgesellschaft nach australischem Recht und habe im Zeitpunkt der Bestellung des Klägers zum Beauftragten für den Datenschutz dauerhaft nur neun Arbeitnehmer in der Niederlassung beschäftigt. Zudem habe der Kläger als Geschäftsleiter der Niederlassung gar nicht bestellt werden dürfen. Jedenfalls sei der Schwellenwert des § 4 f Abs. 1 S. 4 BDSG aF noch vor Ausspruch der Kündigungen unterschritten worden. Aufgrund einer Restrukturierung sei der Arbeitsplatz des Klägers spätestens zum 30. September 2017 weggefallen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat angenommen, dass die Kündigungen gem. § 4 f Abs. 3 S. 5 BDSG aF rechtsunwirksam sind. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei bezogen auf das Arbeitsverhältnis des Klägers der Anwendungsbereich des Sonderkündigungsschutzgesetzes für Datenschutz-beauftragte nach § 4 f Abs. 3 S. 5 BDSG aF zum Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen Kündigungen eröffnet gewesen. Dass der Kläger in seiner Funktion als Geschäftsleiter der Niederlassung wegen fehlender Zuverlässigkeit die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten offensichtlich nicht erfüllt habe, sei für die Frage der Anwendung des Sonderkündigungsschutzes unschädlich. Entgegen der Auffassung de...

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