Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsschutz des verpflichtend bestellten Datenschutzbeauftragten. Nur Widerruf der Bestellung beseitigt Kündigungsschutz

 

Leitsatz (redaktionell)

Wer als betrieblicher Datenschutzbeauftragter bestellt ist, genießt Kündigungsschutz. Es spielt keine Rolle, ob dafür überhaupt eine gesetzliche Verpflichtung besteht oder der Bestellte über die persönliche Eignung verfügt.

 

Normenkette

BDSG a.F. § 4 f. Abs. 3 S. 5; ArbGG § 66

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.11.2017; Aktenzeichen 21 Ca 2986/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 05.12.2019; Aktenzeichen 2 AZR 223/19)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt am Main vom 09. November 2017 - 21 Ca 2986/17 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtsmäßigkeit zweier ordentlicher Kündigungen.

Die Beklagte ist ein australisches Bankinstitut, das unter anderem in A eine Niederlassung unterhält.

Der am xx.xx.1961 geborene Kläger ist auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 26. Februar 2010 (Anlage K1 zur Klageschrift vom 21. April 2017, Bl. 5 ff. d. A.) seit dem 01. April 2010 in der Funktion eines Director Institutional Banking beschäftigt. Zum 08. April 2010 wurde der Kläger auf Veranlassung der Beklagten zum Geschäftsleiter der Niederlassung nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 KWG in das Handelsregeister eingetragen. In dieser Funktion übte der Kläger zusammen mit dem zweiten Geschäftsführer B die Leitungsfunktion in der Niederlassung aus und vertrat die Beklagte sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich.

Mit Schreiben vom 01. Juni 2010 (Anlage K3 zur Klageschrift vom 21. April 2017, Bl. 12 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihn „mit sofortiger Wirkung bis auf Weiteres gemäß § 4 f des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zum Datenschutzbeauftragten“ bestelle. In seiner Eigenschaft als Datenschutzbeauftragter sei er unmittelbar der Geschäftsleitung unterstellt, in dieser sei B für den Datenschutz zuständig.

Mit Schreiben vom 12. April 2017 (Anlage K4 zur Klageschrift vom 21. April 2017, Bl. 13 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Juli 2017, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin. Mit weiterem Schreiben vom 12. April 2017 (Anlage K5 zur Klageschrift vom 21. April 2017, Bl. 14 f. d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2017, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin. Zum Kündigungszeitpunkt beschäftigte die Beklagte in der Niederlassung in A insgesamt acht Arbeitnehmer. Im Rahmen einer Restrukturierung wurden die Arbeitsverhältnisse von vier Arbeitnehmern gekündigt. Gekündigt wurden neben dem Kläger dabei auch der weitere Geschäftsleiter. Ausweislich sogenannter Organisationscharts vgl. die Anlagen K9 – K15 zum Schriftsatz des Klägers vom 11. September 2017, Bl. 139 – 145 d. A. beschäftigte die Beklagte in den Jahren 2010 bis 2015 zwischen 10 und 13 Mitarbeitern und 2016 9 Mitarbeiter. Einen Widerruf der Bestellung des Klägers zum Datenschutzbeauftragten hat die Beklagte erstmals mit Schreiben vom 24. April 2017 (Anlage B2 zur Klageerwiderung vom 18. Mai 2017, Bl. 65 f. d. A.) und damit nach Zugang der Kündigungen vom 12. April 2017 erklärt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigungen seien willkürlich. Es sei aufsichtsrechtlich nicht möglich, einen von der BaFin genehmigten Bankbetrieb mit vier Mitarbeitern zu betreiben und damit sei die behauptete Unternehmerentscheidung nicht umsetzbar. Es sei auch bankenaufsichtsrechtlich nicht umsetzbar, den Bankbetrieb ohne die beiden Geschäftsleiter zu betreiben. Der Kläger hat weiter die Ansicht vertreten, dass die Kündigungen insbesondere auch im Hinblick auf den ihm zustehenden Sonderkündigungsschutz als Datenschutzbeauftragter rechtsunwirksam sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Seitens der Beklagten mit Schreiben vom 12. April 2017 ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht zum 31. Juli 2017 aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch durch die Seitens der Beklagten mit Schreiben vom 12. April 2017 ausgesprochene weitere ordentliche Kündigung nicht zum 30. September 2017 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Kündigungen seien rechtswirksam. Der Kläger könne sich insbesondere nicht auf den besonderen Kündigungsschutz eines Datenschutzbeauftragten berufen.

Die Beklagte hat gemeint, da es sich bei ihr um eine Aktiengesellschaft nach Australischem Recht handele, die in A lediglich eine Niederlassung unterhalte, habe sie für die Niederlassung keinen Datenschutzbeauftragten bestellen müssen. Dies folge daraus, dass die Niederlassung selbst keine natürliche oder juristische Person sei und mithin auch keine nichtöffentliche Stelle im Sinne von § 4 f Abs. 1 BDSG. Die Beklagte hat weiter die Ansicht...

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