Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifpluralität
Leitsatz (amtlich)
1. Ein für allgemeinverbindlich erklärter, für die Arbeitsverhältnisse im Betrieb geltender Tarifvertrag, der tarifliche Inhaltsnormen enthält, wird nicht allein dadurch nach den zur Tarifkonkurrenz entwickelten Grundsätzen verdrängt, dass der Arbeitgeber an einen anderen, nach seinem Geltungsbereich ebenfalls einschlägigen, als spezieller anzusehenden Tarifvertrag gebunden ist (Abweichung von der Rspr. des BAG, vgl. zB BAG 05.09.1990 – 4 AZR 59/90 – und 20.03.1991 – 4 AZR 455/90 – AP Nr. 19 und 20 zu § 4 TVG Tarif konkurrenz).
2. Eine solche Verdrängung erfolgt auch nicht, wenn es sich bei dem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag um einen solchen handelt, der das Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien zu einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien (hier: Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe) regelt (Abweichung von der Rspr. des BAG, zB BAG 14.06.1989 – 4 AZR 200/89 – und BAG 26.01.1994 – 10 AZR 611/92 – AP Nr. 16 und 22 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz).
Normenkette
TVG § 4 Tarifkonkurrenz, § 1; VTV/Bau § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 19.01.2000; Aktenzeichen 7 Ca 1887/97) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 19. Januar 2000 – 7 Ca 1887/97 – abgeändert.
1. Der Beklagte wird verurteilt,
dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
wie viele Arbeitnehmer, die nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches. Sechstes Buch (SGB VI) über die gesetzliche Rentenversicherung eine arbeiterrentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausübten (gewerbliche Arbeitnehmer), in den Monaten
Februar 1997 bis August 1997,
Dezember 1997 bis Dezember 1998
in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden, sowie in welcher Höhe die Bruttolohnsumme für diese Arbeitnehmer und die Beiträge zu die Sozialkassen der Bauwirtschaft insgesamt in den genannten Monaten angefallen sind;
für den Fall dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an den Kläger DM 120.675,00 (i.W.: Einhundertzwanzigtausendsechshundertfünfundsiebzig Deutsche Mark) zu zahlen.
2. Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 3. Juli 1998 – 7 Ca 202/98 – wird zu Ziffer 1.1 und zu Ziffer 2 mit einer Entschädigungssumme vom DM 19.200,00 (i.W.: Neunzehntausendzweihundert Deutsche Mark) aufrechterhalten:
3. Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 12. November 1999 – 7 Ca 2028/99 – wird aufrechterhalten.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, für den Fall, dass er der im Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 12. November 1999 bezeichneten Auskunftsverpflichtung nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Zustellung des landesarbeitsgerichtlichen Urteils nachkommt, an den Kläger eine weitere Entschädigung in Höhe von DM 11.815,00 (i. W.: Elftausendachthundertfünfzehn Deutsche Mark) zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Auskunftsverpflichtungen des Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum Februar 1997 bis März 1999.
Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Der Beklagte ist Diplom-Ingenieur (FH) im Fachbereich Maschinenbau und Feinwerktechnik und seit 14.02.1997 als Inhaber eines Metallbauerbetriebes in die Handwerksrolle bei der Handwerkskammer Wiesbaden eingetragen. Seit 01.01.1997 ist er Mitglied der Innung der Metallhandwerk Wetzlar. Diese Innung wiederum ist Mitglied des Fachverbandes Metall Hessen, der mit der IG Metall am 17.10.1995 einen ab 01.11.1995 geltenden (Hülle Bl. 378 d. A.) und am 13.08.1998 einen ab 01.09.1998 geltenden (Hülle Bl. 379 d. A.) Manteltarifvertrag u. a. für Betriebe des Metallbauer-Handwerks (MTV/Metallhandwerk) für das Bundesland Hessen abgeschlossen hat. Die Art. der vom Betrieb des Beklagten im Klagezeitraum durchgeführten Tätigkeiten ist zwischen den Parteien im Streit.
Der Kläger hat in insgesamt sieben, vom Arbeitsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtsstreiten die Auffassung vertreten, beim Betrieb des Beklagten habe es sich im Klagezeitraum um einen baugewerblichen im tariflichen Sinne gehandelt. Die betriebliche Tätigkeit habe ausschließlich in der Montage seitens Drittunternehmen vorgefertigter Fenster und Türen bestanden, dabei handele es sich um klassische Trocken- und Montagebautätigkeiten, die vom MTV/Metallhandwerk nicht einmal erfasst würden. Entsprechend schulde der Beklagte die tarifvertraglich vorgeschriebenen Auskünfte, für den Fall der Nichterfüllung Zahlung einer Entschädigungssumme.
Nachdem der Kläger am 03.07.1998 in dem damals noch getrennt geführten Rechts...