Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifpluralität. Geltungsbereich der Bautarifverträge
Leitsatz (amtlich)
§ 1 Abs. 3 AEntG normiert eine gesetzliche Verpflichtung inländischer baugewerblicher Arbeitgeber, der in den für allgemeinverbindlich erklärten Bautarifverträgen enthaltenen Verpflichtung zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer nachzukommen. Allein die Mitgliedschaft des Arbeitgebers in einem Arbeitgeberverband, der einen spezielleren Tarifvertrag abgeschlossen hat, kann diese gesetzliche Verpflichtung nicht beseitigen. Aus diesem Grunde kann der Rspr. des BAG zur Tarifpluralität für den Bereich der gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nicht gefolgt werden. (Abweichung von der st. Rspr. des 10. Senats des BAG, zuletzt BAG 04.12.2002 AP Nr. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz).
Normenkette
TVG Tarifkonkurrenz § 4; AEntG § 1; VTV/Bau § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 06.02.2002; Aktenzeichen 7 Ca 2642/00) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden v. 06.02.2000 – 7 Ca 2642/00 – abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt,
1.1 dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular darüber Auskunft zu erteilen,
wie viele Arbeitnehmer, die nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches, Sechstes Buch (SGB VI), über die gesetzliche Rentenversicherung eine arbeiterrentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausübten (gewerbliche Arbeitnehmer) in den Monaten Mai 2000 bis Juli 2001 in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden, sowie in welcher Höhe die Bruttolohnsumme für diese Arbeitnehmer und die Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft insgesamt in den genannten Monaten angefallen sind;
1.2 dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular darüber Auskunft zu erteilen,
wie viele Angestellte, die eine nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches, Sechstes Buch (SGB VI), Versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten – mit Ausnahme der geringfügig Beschäftigten i.S.v. § 8 SBG IV – in den Monaten Mai 2000 bis Juli 2001 in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden und welche Zusatzversorgungskassenbeiträge in den vorgenannten Monaten jeweils angefallen sind;
2. für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen:
zu 1.1 |
10.798,48 EUR |
zu 1.2 |
690,24 EUR |
Gesamtbetrag: |
11.488,72 EUR |
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Auskunftsverpflichtungen des Beklagten nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum Mai 2000 bis Juli 2001.
Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Der Beklagte, der 1997 die Meisterprüfung zum Zimmerer bestanden hat, eröffnete zum 01.09.1998 einen, nicht zur produktiven Winterbauförderung herangezogenen Betrieb, von dem arbeitszeitlich überwiegend Holztreppen und -geländer hergestellt und montiert werden. Seit 18. April 2000 ist der Beklagte Mitglied der Schreinerinnung …, die wiederum Mitglied des Verbandes Holz und Kunststoff Bayern ist, der am 19.01.1999 mit dem Landesverband Bayern der Christlichen Gewerkschaft Deutschlands (CGD) und dem Landesverband Bayern des Deutschen Handels- und Industrieangestelltenverbandes einen Manteltarifvertrag für die Arbeiter und Angestellten im Bayerischen Schreinerhandwerk (MTV/Schreinerhandwerk) abgeschlossen hat. Die Frage, ob es sich bei der CGD um eine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne handelt, ist Gegenstand eines von den Gewerkschaften IG Metall und IG Bau eingeleiteten Beschlussverfahrens. Mit Beschluss vom 17.10.2002 (2 BV 3/00) hat das Arbeitsgericht Gera diese Frage verneint. Derzeit ist das Verfahren in der Beschwerdeinstanz beim Thüringer Landesarbeitsgericht (1 TaBV 9/03) anhängig. Keiner der beim Beklagten im Klagezeitraum beschäftigten Arbeitnehmer war Mitglied der CGD oder des Deutschen Handels- und Industrieangestelltenverbandes.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe im gesamten Klagezeitraum einen baugewerblichen Betrieb unterhalten. Demzufolge sei er zur Erteilung der tarifvertraglich vorgeschriebenen Auskünfte für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte verpflichtet. Bei den durchgeführten Treppenbauarbeiten handele es sich um Zimmererarbeiten. Die tarifvertragliche Ausnahmebestimmung für Betriebe des Schreinerhandwerks könne dem Beklagten nicht zugute kommen, da er nicht zu einem wesentlichen Anteil der betrieblichen Arbeitszeit Tätigkeiten ausführe, die ausschließlich dem Schreinerhandwerk zuzuordnen seien und zudem auch keine gelernten Schreiner beschäftige. Jedenfalls seien bei ihm auch Zimmerer und Holzbauwerker tätig. Tarifkonkurrenz oder Tarifpluralität mit dem MTV/Schreinerhandwerk seien nicht gegeben. Im Übrigen stehe die Wirksamkeit dieses Tarif...