Entscheidungsstichwort (Thema)
Ballungsraumzulage
Leitsatz (amtlich)
Der vollständige Widerruf der Gewährung der sog. Ballungsraumzulage zum 01.07.1994 war gegenüber den Angestellten und Arbeitern der Stadt Frankfurt am Main unwirksam (Rev. zug.)
Normenkette
BAT § 27 Abschn. C; BGB §§ 241-242, 305, 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 01.12.1993; Aktenzeichen 17 Ca 6270/93) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 1. Dezember 1993 – 17 Ca 6270/93 – über das Teilurteil der Kammer vom 15. November 1994 hinaus auch im übrigen abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.100,– DM (i. W. eintausendeinhundert Deutsche Mark) brutto und monatlich je 100,– DM (i. W. einhundert Deutsche Mark) brutto für die Zeit von Juni 1995 bis Dezember 1995. fällig am 15. eines jeden Monats, zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision gegen dieses Schlußurteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Weiterzahlung einer Zulage.
Der am 13. Oktober 1948 geborene Kläger ist seit dem 14. April 1975 Angestellter der Beklagten. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich, jedenfalls gem. § 2 des Arbeitsvertrages vom 21. April 1975 mit Zusatzvertrag vom 22. Juli 1991 (Bl. 44 – 46 d. A.), nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Der Kläger erhält Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT in Höhe von mehr als 3.000,– DM brutto im Monat, im Monat Juni 1993 6.450,– DM brutto (Gehaltsabrechnungen für Juni und Juli 1993 Bl. 4 u. 5 d. A.).
Durch § 1 Nr. 1 des 65. Änderungstarifvertrags zum BAT vom 30. Oktober 1990 wurde dem § 27 BAT ein Abschnitt C angefügt, der folgenden Wortlaut hat:
„C. Vorweggewährung von Lebensaltersstufen/Stufen
Soweit es zur Deckung des Personalbedarfs erforderlich ist, kann dem Angestellten im Rahmen der dafür verfügbaren Mittel bis zum 31. Dezember 1995 anstelle der ihm nach Abschnitt A oder B zustehenden Lebensaltersstufe/Stufe der Grundvergütung eine um bis zu höchstens vier – in der Regel nicht mehr als zwei – Lebensaltersstufen/Stufen höhere Grundvergütung vorweg gewährt werden; die Endgrundvergütung darf nicht überschritten werden. Die Grundvergütung einer höheren Lebensaltersstufe/Stufe erhält der Angestellte erst, wenn ihm nach Abschnitt A oder B die Grundvergütung einer höheren als der vorweg gewährten Lebensaltersstufe/Stufe zusteht, soweit nicht unter den Voraussetzungen des Satzes 1 erneut über eine Vorweggewährung entschieden wird. Bei einer Höhergruppierung ist für die Festsetzung der Grundvergütung die Vorweggewährung von Lebensaltersstufen/Stufen unberücksichtigt zu lassen. Unterschreitet die Grundvergütung nach der Höhergruppierung den bisherigen Betrag, ist als Vorweggewährung die Grundvergütung der Lebensaltersstufe/Stufe zu gewähren, die mindestens den bisherigen Betrag erreicht, soweit nicht unter den Voraussetzungen des Satzes 1 erneut über eine Vorweggewährung entschieden wird. Grundsätze für die Vorweggewährung werden durch die für das Tarifrecht zuständige Stelle des Arbeitgebers festgelegt.”
Eine vergleichbare Regelung sehen §§ 72 BBesG, 3 Verordnung über die Gewährung von Sonderzuschlägen zur Sicherung des Personalbedarfs vom 13. November 1990 (Sonderzuschlagsverordnung – SZsV – BGBl. I S. 2451, Bl. 52 u. 53 d. A.) für Beamte vor.
Aufgrund des Beschlusses Nr. 3362 des Magistrats der Beklagten vom 07. Dezember 1990 stimmte die Stadtverordnetenversammlung der Beklagten am 24. Januar 1991 – § 5830 – der Einführung einer Zulage für u. a. alle Angestellte der Beklagten in den Vergütungsgruppen IX bis III BAT und für alle Beamten der Besoldungsgruppen A 5 bis A 12 BBesG/Hessische Besoldungsordnung für die Zeit vom 01. Januar 1991 bis zum 31. Dezember 1995 zur Sicherung der Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt von 100,– DM brutto monatlich zu („Ballungsraumzulage”). Dieser Beschluß wurde in den „Nachrichten für die Stadtverwaltung” (NaSt) der Beklagten Nr. 4 vom 15. Januar 1991, S. 38–41, veröffentlicht (Bl. 48 – 50 d. A.) und Teil der „Allgemeinen Dienst- und Geschäftsanweisung – AGA – der Beklagten als III Nr. 503 (Bl. 9 R d. A.). Hintergrund war, daß die Beklagte Anfang 1990 befürchtete, nicht mehr in hinreichendem Umfang qualifiziertes Personal zur Aufrechterhaltung des Dienstleistungsangebots gegenüber der Bürgerschaft zu bekommen und an sich binden zu können (Begründung des Antrags des Magistrats der Beklagten an die Stadtverordnetenversammlung vom 07. Dezember 1990, Bl. 7 und 7 R d. A.). Das rechnerische Volumen wurde zunächst mit rd. 38 Mio. DM im Jahr beziffert. Tatsächlich beliefen sich die Kosten für die Beklagte einschließlich der bei ihr gebildeten Sondervermögen im Jahr 1991 auf 32.901.620,– DM, im Jahr 1992 auf 32.997.367,– DM und für das erste...