Leitsatz (amtlich)

Eine als „Weihnachtsgeld” bezeichnete Sonderzahlung ohne weitere Zweckbestimmung stellt Entgelt i. e. S. dar.

Durch eine Verweisung auf im Zeitpunkt der Zusage noch nicht existente betriebliche Richtlinien kann ihr nicht – mittels einer Stichtagregelung – nachträglich der Charakter einer Gratifikation verliehen werden.

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Urteil vom 05.06.2001; Aktenzeichen 5 Ca 265/01)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 05. Juni 2001 – 5 Ca 265/01 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche.

Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der S. Letztere war Rechtsnachfolgerin der – tarifgebundenen – G. Die S. gliederte den Standort B. zur S. Letztere wechselte zur V. und firmierte dann zunächst unter „C.”, sodann unter dem Namen V. B. Diese ist durch Aufnahme zu der Beklagten verschmolzen.

Die G. wandte den jeweiligen Tarifvertrag über betriebliche Sonderzahlungen, abgeschlossen zwischen der IG Metall und Fachverband Elektrotechnik Hessen an.

Der – nicht tarifgebundene – Kläger war bis zum 31. Dezember 2000 als Diplom-Ingenieur bei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von zuletzt 9338,00 DM beschäftigt. Er schied aufgrund einer Eigenkündigung aus. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Anstellungsvertrag vom 04. Februar 1992 (vgl. Bl. 4- 7 d.A.) zugrunde. Er lautet u. a. wie folgt:

3. Herr S. unterliegt keinem Tarifvertrag.

4 …

Weitere Leistungen des Unternehmens:

Herr S. erhält im Juni eines jeden Jahres das Urlaubsgeld nach den tariflichen Bestimmung und im November eines jeden Jahres das Weihnachtsgeld nach den betrieblichen Richtlinien ausbezahlt.

Das Weihnachtsgeld wird im Dezember eines jeden Jahres auf ein volles 13. Monatseinkommen aufgestockt.”

15.

Alle Abänderungen dieses Vertrages bedürfen der schriftlichen Form zu ihrer Gültigkeit.

Seit Beginn des Anstellungsverhältnisses im Jahre 1985 erhielt der Kläger regelmäßig im November eines jeden Jahres eine Weihnachtsgeldzahlung, die im Dezember des jeweiligen Jahres auf ein volles Bruttogehalt aufgestockt worden ist. Insoweit wird auf die vom Kläger vorgelegten Verdienstabrechnungen (Bl. 61 – 77 d.A.) Bezug genommen. Auch im Jahr 1999 erhielt der Kläger im November eine Weihnachtsgeldzahlung in Höhe von 4438,00 DM brutto, die im Dezember in Höhe von 4900,00 DM auf ein volles monatliches Bruttogehalt aufgestockt wurde. Im Jahre 2000 leistete die Beklagte dem Kläger keine Weihnachtsgeldzahlungen.

Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben seines Vertreters vom 17. Januar 2000 zur Zahlung mit Fristsetzung bis spätestens zum 31. Januar 2001 auf (Bl. 10,11 d.A.).

Der Kläger ist der Ansicht gewesen, aufgrund der eindeutigen Regelung des Anstellungsvertrages stehe ihm der Zahlungsanspruch zu.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9338,00 DM brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Uberleitungsgesetzes vom 09. Juni 1998 aus dem Nettobetrag seit dem 01. Februar 2001 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht gewesen, der Anspruch bestehe nicht. Der Kläger habe bereits die Anspruchsvoraussetzungen, nämlich die Existenz und die Erfüllung der Voraussetzungen einer „betrieblichen Richtlinie” nicht dargelegt. Darüber hinaus würden derartige betriebliche Richtlinien, so sie denn existierten, unabhängig von einer Tarifbindung der Parteien, gegen die Sperrwirkung des Tarifvertrages verstoßen. Schriftliche Vereinbarungen mit dem Betriebsrat existierten zwar nicht, aber es seien in der Vergangenheit in Anlehnung an den Tarifvertrag freiwillige Absprachen mit dem Betriebsrat getroffen worden, die die Sperrwirkung ebenfalls begründeten.

Es bestehe auch kein tariflicher Anspruch, da in § 2 Ziffer 2 des Tarifvertrages über tarifliche Sonderzahlungen, abgeschlossen zwischen der IGM und dem Fachverband Elektrotechnik Hessen, eine Rückzahlungsverpflichtung der Jahressonderzahlung für den Fall vereinbart worden sei, dass ein Arbeitnehmer nach Auszahlung der Jahressonderzahlung bis zum 31. Dezember des gleichen Kalenderjahres aufgrund einer berechtigten außerordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber oder seiner eigenen fristgerechten Kündigung ausgeschieden sei. Diese Voraussetzungen seien vorliegend gegeben.

Das Arbeitsgericht hat d. Klage durch Urteil vom 5.6.2001 stattgegeben. Eine Abhängigkeit des vertraglichen Anspruchs von betrieblichen Regelungen hat das Arbeitsgericht verneint. Das Urteil ist d. Bekl. am 27.6.2001 zugestellt worden. D. Bekl. hat am 27.7.2001 Berufung eingelegt und diese am 27.8.2001 begründet.

Die Beklagte ist der Meinung, dass die Auslegung des Vertrages ergebe, dass dem Kläger kein Anspruch zustehe. Dieser sei abhängig von den „betrieblichen Richtlinien”. Die Aufstockungsregelung entfalte nur hinsichtlich der Höhe Wirkung, wenn nach den Richtlinien dem Grunde nach ...

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