Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitsbedingt Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen. Soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer krankheitsbedingten Kündigung muss zunächst eine negative Prognose vorliegen, die gegeben ist, wenn, abgestellt auf den Kündigungszeitpunkt, aufgrund objektiver Tatsachen zu besorgen ist, dass der Arbeitnehmer auch weiterhin häufig krankheitsbedingt fehlen wird. 2. Infolge dieser negativen Prognose muss mit erheblichen betrieblichen oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen zu rechnen sein. 3. Diese Beeinträchtigungen müssen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und Abwägung der beiderseitigen Interessen für den Arbeitgeber das Maß des Zumutbaren überschreiten.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 22.09.2010; Aktenzeichen 15 Ca 2854/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 22.09.2010 - 15 Ca 2854/10 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten.
Die Beklagte ist ein Unternehmen, das mit mehr als 10 Arbeitnehmern Sicherheitsdienstleistungen am Flughafen A erbringt. Der am yy.yy.yyyy geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit dem 3.09.2004 bei der Beklagten als Luftsicherheitsassistent im vollkontinuierlichen Wechselschichtbetrieb beschäftigt und verdiente zuletzt € 1.700,00 brutto monatlich. Dem Arbeitsverhältnis lag der Arbeitsvertrag vom 31.08.2004 zugrunde (Bl. 8 d.A.).
Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses war der Kläger im Jahre 2007 mehr als 18 Wochen (verteilt auf 9 Zeiträume), im Jahre 2008 mehr als 16 Wochen (verteilt auf 9 Zeiträume) und im Jahre 2009 mehr als 23 Wochen (verteilt auf 11 Zeiträume) arbeitsunfähig erkrankt. Für die Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit wird auf die vollständig zur Akte gereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Klägers Bezug genommen (Bl. 104 - 132 d.A.). Die Anzahl der während dieser Zeiten angefallenen Arbeitstage ist zwischen den Parteien streitig.
Der Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 12.10.2007 bis 31.01.2008 lagen ein Kreuzband- und Meniskusriss zugrunde, für deren Behandlung sich der Kläger am 26.10.2008 einem operativen Eingriff unterzog (Operationsbericht (Bl. 55 d.A.). Am 16.02.2009 zog er sich eine Fußgelenksverletzung zu, aufgrund derer er bis zum 21.02.2009 (6 Arbeitstage) arbeitsunfähig erkrankte. Bei den weiteren Erkrankungen handelte es sich um wiederholte Infekte der Atemwege und der Nebenhöhlen, zu denen der Kläger gegenüber der Beklagten angab, dass er sich bei seinem älteren Kind angesteckt habe.
Für die krankheitsbedingten Fehlzeiten entstanden der Beklagten in den Jahren 2007 bis 2010 Entgeltfortzahlungskosten in folgender Höhe:
- 2007: € 5.121,25
- 2008: € 5.146,10
- 2009: € 10.201,88
- bis 31.03.2010: € 506,87.
Die Beklagte führte mit dem Kläger am 24.07.2008, 19.09.2008, 27.03.2009 27.11.2009 sowie am 11.12.2009 wiederholt Fehlzeitengespräche, zu denen sie jeweils eine Gesprächsnotiz fertigte (Bl. 32-34, 37, 39 d.A.). Unter dem 20.08.2009 übersandte sie ihm ein Schreiben mit dem Betreff "Betriebliche Wiedereingliederung/Prävention bei längerer Krankheit gem. § 84 SGB IX (2)", auf dessen genauen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 306, 307 d.A.). Der Kläger reagierte auf dieses Schreiben nicht.
Nachdem der Kläger im Februar und März 2010 an insgesamt 8 Arbeitstagen erneut erkrankte, hörte die Beklagte mit Schreiben vom 22.03.2010, dem mehrere Anlagen beigefügt waren (Bl. 29-40 d.A.), den Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen an. Der Betriebsrat erhielt die Anhörung am 29.03.2010 und widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 31.03.2010 (Bl. 41 d.A.). Die Beklagte kündigte darauf mit Schreiben vom 9.04.2010, dem Kläger zugegangen am 13.04.2010, das Arbeitsverhältnis der Parteien aus krankheitsbedingten Gründen ordentlich zum 30.06.2010 (Bl. 13 d.A.). Der Kläger war nach Zugang der Kündigung ab dem 16.04.2010 bis zum Ablauf der Kündigungsfrist erneut durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Der Kläger hat am 19.04.2010 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung eingereicht. In der Berufungsinstanz legte der Kläger ein ärztliches Attest des ihn regelmäßig behandelnden Hausarztes vom 15.02.2011 vor, das bescheinigte, dass am 13.04.2010 eine günstige Prognose aus medizinischer Sicht gestellt werden konnte, weil zurückliegende Erkrankungen ausgeheilt waren und künftig weitere Kurzerkrankungen (über das Normalrisiko hinaus) nicht mehr zu erwarten waren (Bl. 203 d.A.).
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Anträge der Parteien wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand ...