Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilnahme eines Kühlzellen aus Fertigteilen in Lebensmittelgeschäften oder Betrieben der Systemgastronomie montierenden Betriebes am Sozialkassenverfahren im Bauwesen

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Kühlzelle, die aus Fertigteilen in einem Volumen von ca. 2,5 m * 2,5 m * 3 m montiert wird, damit darin in Lebensmittelgeschäftigen oder Betrieben der Systemgastronomie Lebensmittel gekühlt werden können, stellt kein Bauwerk in Sinne des VTV-Bau dar. Sie ist funktional und nach der Verkehrsanschauung als ein technischer Apparat anzusehen, da sie dem Zweck der Kühlung von Produkten dient und einem „großen Kühlschrank“ vergleichbar ist.

 

Normenkette

VTV § 1 Abs. 2 Abschn. II, Abschn. V Nr. 37; SokaSiG § 7

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 28.06.2018; Aktenzeichen 4 Ca 131/18 SK)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.11.2022; Aktenzeichen 10 AZR 183/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 28. Juni 2018 – 4 Ca 131/18 SK – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu dem Sozialkassenverfahren im Baugewerbe.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der in der Vergangenheit regelmäßig für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, i.V.m. dem Sozialkassenverfahrenssicherungsgesetz (SokaSiG) nimmt er die Beklagte nach Verbindung von vier Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von 199.109,50 Euro in Anspruch. Dabei handelt es sich um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer in dem Zeitraum Dezember 2012 bis September 2017 sowie für Angestellte in dem Zeitraum Februar 2013 bis September 2017. Der Kläger berechnete seine Beitragsforderung für die gewerblichen Arbeitnehmer auf der Grundlage statistischer Durchschnittslöhne und legte dabei zu Grunde, dass pro Monat mindestens fünf gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt waren, bei den Angestellten ging er von einem Angestellten pro Monat aus.

Die Beklagte montierte in den streitgegenständlichen Kalenderjahren Kühlzellen - vorwiegend der Fa. A - bei ihren Kunden. Diese waren insbesondere Restaurants der Systemgastronomie, Lebensmittelgeschäfte, wie z.B. B oder C, Tankstellen, Getränkehersteller oder Kitas. Dabei wurden aus vorgefertigten Teilen begehbare Zellen errichtet, die der Kühlung von Getränken und Nahrungsmitteln dienten. Die Paneelen wurden mit einem Nutfederschlosssystem verbunden und die Zwischenräume mit Silikon abgedichtet. Das Kühlaggregat wurde teilweise mitgeliefert und von eigenen Arbeitnehmern dann eingehängt, teilweise wurde es erst später montiert. Jedenfalls in einem geringen Umfang sind die Arbeitnehmer auch bei der Fa. D (HRB xxxx Amtsgericht Osnabrück) (kurz: D) eingesetzt worden. Dort wurden große Kühlhallen zur Aufbewahrung von landwirtschaftlichen Produkten montiert. Über die genauen Einzelheiten der betrieblichen Tätigkeit, insbesondere über die Frage, ob die Arbeitnehmer große Kühlhallen zur Kühlung landwirtschaftlicher Produkte montiert haben, herrscht zwischen den Parteien Streit.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Betrieb verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen. Er hat behauptet, die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer hätten in den jeweiligen Kalenderjahren 2012 bis 2017 arbeitszeitlich überwiegend die folgenden Tätigkeiten erbracht:

Trocken- und Montagebauarbeiten, z.B. die Montage vorgefertigter und von Dritten bezogener Baufertigteile bzw. Bauelemente zu Kühlräumen bzw. Kühlhallen sowie Reparaturarbeiten an diesen Komponenten, Boden-/Decken-Konstruktionen bzw. Deckendurchbrüche, Decken abhängen und Bodenbegradigung sowie damit im Zusammenhang stehende Vor-, Neben- und Hilfstätigkeiten wie z.B. Auftrags-, Materialbeschaffung-, Lager- und Aufräumarbeiten.

Zur Stützung seines Vortrags hat er sich auf Aussagen von Arbeitern im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens des Hauptzollamts (HZA) Osnabrück berufen. Danach haben Zeugen ausgesagt, große Kühlhäuser und Kühlhallen zu bauen. Die Zeugen hätten teilweise ausgesagt, je nach Auftragslage auch für die Fa. D tätig geworden zu sein.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 199.109,50 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, sie sei nicht verpflichtet, Beiträge zum Sozialkassenverfahren zu zahlen. Der betriebliche Geltungsbereich sei nicht eröffnet. Gegenstand der Tätigkeit der Beklagten sei das Liefern von Kühlzellen. Dies sei der Lieferung eines Möbels bzw. einer Maschine gleichzusetzen. Es handele sich im Prinzip um einen größeren Kühlschrank, der Verwendung in Gastronomiebetrieben wie E, B oder C finde. Die in die Verbrauchermärkte gelieferten Kühlschränke hätte nach vorne raus jeweils eine Gl...

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