Entscheidungsstichwort (Thema)

Mutterschutzlohn. Beschäftigungsverbot. Mutterschutzlohn aufgrund Beschäftigungsverbot. Abgrenzung Arbeitsunfähigkeit. Beurteilungsspielraum

 

Leitsatz (amtlich)

Einzelfall, in dem ein Anspruch der Klägerin auf Mutterschutzlohn nach § 11 Abs. 1 S 1 MuSchG wegen eines Beschäftigungsverbotes nur für Zeit bestanden hat, während der allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot dazu geführt hat, dass sie mit der Arbeit aussetzen musste. Für die Zeiten, in denen sie arbeitsunfähig krank war, fehlt es an dem notwendigen alleinige Ursachenzusammenhang.

Anforderungen an ein ärztliches Beschäftigungsverbot, Beurteilungsspielraum des Arztes

 

Normenkette

MuSchG §§ 3, 11; EFZG § 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Marburg (Urteil vom 08.04.2003; Aktenzeichen 2 Ca 461/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 8. April 2003 – 2 Ca 461/02 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 4.326,19 brutto abzüglich EUR 941,64 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. September 2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf Mutterschutzlohn.

Die am 10. Mai 1964 geborene, geschiedene Klägerin, die mittlerweile Mutter eines Kindes ist, arbeitete seit dem 1. Juli 1999 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrags als Altenpflegerin bei der Beklagten, die eine Seniorenwohnanlage betreibt, zu einem monatlichen Bruttogehalt von EUR 2.198,56. Die Klägerin legte der Beklagten am 28. März 2002 eine Schwangerschaftsbescheinigung vor, in der der voraussichtliche Geburtstermin auf den 30. Oktober 2002 errechnet wurde, so dass die Mutterschutzfrist am 18. September 2002 zu laufen begann. In der Zeit vom 2. bis 27. April 2002 war die Klägerin ausweislich einer von dem Arzt Dr. S. und mehrerer von ihrem Frauenarzt Dr. Breul ausgestellter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wegen Abortus imminens und danach wegen Hyperemesis gravidarum arbeitsunfähig erkrankt. Unter dem 23. April 2002 stellte der die Klägerin behandelnde Frauenarzt Dr. B. folgende ärztliche Bescheinigung für sie aus (Bl. 32 d.A.):

Die obengenannte schwangere Patientin darf nicht weiter beschäftigt werden, da Leben und/oder Gesundheit der Mutter bzw. des Kindes bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet sind. In diesem Fall muss aus medizinischer Sicht ein totales Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs. 1 Muterschutzgesetz ausgesprochen werden.

Ab dem 2. April 2002 hat die Klägerin nicht mehr bei der Beklagte gearbeitet. Die Beklagte leistete bis zum 23. April 2004 Entgeltfortzahlung. Unter dem 28. Mai 2002 gab der Medizinische Dienst der Krankenkassen eine Stellungnahme ab, aus der sich ergab, dass für die Beurteilung eines Beschäftigungsverbots für die Klägerin kein Anlass bestehe. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 29. Mai 2002 mit, dass sie das Beschäftigungsverbot nicht anerkenne und die gesetzlich notwendige Begründung fehle und forderte sie zum Arbeitsantritt am 30. Mai 2002 auf (Bl. 15 d.A.). Am 29. Mai 2002 teilte Dr. B. mit, dass er das Beschäftigungsverbot aufrechterhalte. Er stellt für die Klägerin wegen depressiver Verstimmungen bei Zunahme allgemeiner Juckreizbeschwerden der gesamten Haut ab dem 29. Mai 2002 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus, die er am 5. Juni 2002 wegen Risikoschwangerschaft, depressiver Verstimmungen und vegetativer Dystonie bis zum 12. Juni 2002 verlängerte (Bl. 38 f, 44 d.A.). Bereits am 11. Juni 2002 erteilte Dr. S. der Klägerin eine Arbeitsunfähig keitsbescheinigung (Folgebescheinigung), die voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis 10. Juli 2002 bestätigte. Mit Bescheinigung vom 28. Juni 2002 sprach Dr. B. ein erneutes Beschäftigungsverbot aus, wegen dessen Inhalts auf die Kopie Bl. 41 d.A. Bezug genommen wird. Für den Zeitraum 8. Mai 2002 bis 29. Juli 2002 bezog die Klägerin Krankengeld von der Krankenkasse in der Gesamthöhe von EUR 3.721,72 (Bl. 30 d.A.) bei einem kalendertäglichen Betrag von EUR 44,84 (Bl. 116 d.A.). Wegen der Aufschlüsselung der Zahlung auf einzelne Zeiträume wird auf die Aufstellung Bl. 115 d.A. verwiesen. Mit Bescheid vom 10. Juli 2002 teilte die DAK der Beklagten mit, dass die Beklagte wegen des verhängten totalen Beschäftigungsverbotes zur Gehaltsfortzahlung verpflichtet sei (Bl. 14 d.A). Die Beklagte verweigerte trotz der ihr vorgelegten Beschäftigungsverbote die Weiterzahlung des Gehalts. Der die Klägerin behandelnde Arzt Dr. S. erläuterte in einer schriftlichen Stellungnahme vom 11. Dezember 2002 die medizinische Lage der Klägerin im Jahr 2002. Unter dem 23. Dezember 2002 schrieb der die Klägerin behandelnde Frauenarzt Dr. B. den Prozessbevollmächtigten der Klägerin an und erläuterte diesem ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge