Leitsatz (amtlich)

1. Die Herausnahme von sog. Werkstudenten aus dem persönlichen Geltungsbereich der VW-Haustarife MTV und Entgelt TV ist gleichheitswidrig und nichtig.

2. Rückwirkend geltend gemachte Differenzlohnansprüche unterliegen auch in einem solchen Fall den tarifvertraglichen Ausschlussfristen.

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Urteil vom 22.01.1998; Aktenzeichen 6 Ca 101/97)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 30.08.2000; Aktenzeichen 4 AZR 566/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 22.01.1998 – 6 Ca 101/97 – teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.274,– DM (i. W. eintausendzweihundertvierundsiebzig Deutsche Mark brutto nebst 4 % Zinsen aus dem verbleibenden Nettobetrag seit 20.03.1997 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszugs trägt der Kläger 65 %, die Beklagte 35 %.

Von den Kosten des Berufungsrechtszugs trägt der Kläger 64 %, die Beklagte 36 %.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Entgeltansprüche aus einem zwischenzeitlich beendeten Arbeitsverhältnis.

Der Kläger ist Student. Er war vom 31.07.1996 bis 30.12.1997 aufgrund zweier befristeter Verträge „als Werkstudent im Vertrieb Ersatzteile” bei der Beklagten gegen einen vereinbarten Stundenlohn von DM 23,00 brutto nebst Nachtzuschlag beschäftigt. Der Kläger war, wie zwischen den Parteien nicht mehr streitig, seit 02.07.1996 Mitglied der IG Metall.

Die Beklagte hat mit der IG Metall Haustarifverträge abgeschlossen. Von deren persönlichem Geltungsbereich, insbesondere dem des Manteltarifvertrages und des Monatsentgelttarifvertrages, sind u. a. Werkstudenten seit langem ausdrücklich ausgenommen. Die vom persönlichen Geltungsbereich der Haustarifverträge erfaßten Arbeiter im Bereich „Vertrieb Ersatzteile” erhalten dort jedenfalls in den ersten Monaten tarifvertragliche Vergütung gem. Entgeltniveau E/3, welches sich während der Beschäftigungszeit des Klägers auf DM 27.90 brutto je Stunde belief. Bei Erreichen der entsprechenden Qualifikationen werden diese Arbeiter danach in F/4 umgruppiert. Mit nicht tarifgebundenen nichtstudentischen Mitarbeitern wird die Geltung der Haustarifverträge einzelvertraglich vereinbart.

In den zurückliegenden Jahrzehnten erhielten Werkstudenten jedenfalls den gleichen Stundenlohn wie vergleichbare andere neu eingestellte Mitarbeiter. Bei der Beklagten entstand am 15.05.1996 eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Regelung der Beschäftigungsbedingungen von Werkstudenten, in der auch die Höhe des Arbeitsentgelts mit DM 23,00 brutto geregelt wird.

Der Kläger verfolgt Ansprüche auf Zahlung von Differenzbeträgen zwischen der tarifvertraglichen und der vereinbarten Vergütung sowie Zahlung der Weihnachtspauschale gem. § 10 Ziff. 10.1 MTV in der durch Aushang vom 04.11.1996 bekannt gemachten Höhe.

Mit seiner am 14.02.1997 zugestellten Klage vom 04.02.1997 hat der Kläger Stundenlohndifferenzen für 344 Stunden aus September bis Dezember 1996 á DM 4,90, also DM 1.685.60 brutto gefordert. Mit am 20.03.1997 zugestellter Klageerweiterung vom 10.03.1997 hat der Kläger weitere Stundenlohndifferenzen für die Monate Juli. August 1996 sowie für die Zeit vom 01. – 13. September 1996 in Höhe von weiteren DM 1.347,50 und ferner Zahlung der Weihnachtspauschale in Höhe von DM 382.00 geltend gemacht.

Der Kläger hat insbesondere gemeint, die Herausnahme von Werkstudenten aus den Haustarifverträgen verstoße gegen den Gleichheitssatz, die Vorenthaltung der tarifvertraglichen Vergütung sei gleichbehandlungswidrig und überdies werde gegen das Verbot der Schlechterstellung von Teilzeitkräften verstoßen; die Gesamtbetriebsvereinbarung sei ohnehin aus Rechtsgründen nichtig.

Der Kläger hat vorgetragen, sämtliche Differenzierungskriterien, mit denen die Beklagte die Schlechterstellung von Werkstudenten zu rechtfertigen suche, seien unbehelflich. Sachlich falsch, und ohnehin rechtlich gar nicht relevant, sei bereits die Behauptung, der Kläger sei nur im Bereich Warenausgang-Einzelhandel, nicht aber bei Volumenaufträgen, Vertriebszentren-Schnellaufträgen, Seefracht und Luftfracht eingesetzt gewesen. Er habe vielmehr alle Arten der Ersatzteilversendung beherrscht und auch bearbeitet. Auch im sog. Rückkauf, also bei Rücklauf von Falschlieferungen, habe der Kläger gearbeitet. Darüber hinaus habe er bei seiner Arbeit nicht nur die Scan-Pistole eingesetzt, sondern auch via Bildschirm mit der Zentral-EDV kommuniziert, wenn z. B. fehlende Teile hätten ausfindig gemacht werden müssen. Es sei auch unrichtig, wenn behauptet werde, den Studenten werde eine besondere Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung ermöglicht. Bei Vertragsbeginn müßten vielmehr bestimmte Einsatz-Werktage pro Woche angegeben und dann auch eingehalten werden. Es bleibe den einzelnen Meistern überlassen, Freigabewünschen von Studenten wegen Semesterarbeiter o.ä. zu entsprechen, was teilweise sogar regelmäßig verweige...

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