Entscheidungsstichwort (Thema)
Bauliche Leistung. Tarifauslegung
Leitsatz (redaktionell)
Nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien ist ein Betrieb dem Baugewerbe im tariflichen Sinn dann zuzuordnen, wenn seine betrieblichen Tätigkeiten entweder in der Einzelaufstellung (§ 1 Abs. 2 Abschn. V VTV) genannt sind oder unter die allgemeinen Bestimmungen der Abschnitte I bis III des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Ob ein Betrieb unter den vorgeschriebenen Geltungsbereich der Bautarifverträge fällt, richtet sich dabei danach, ob arbeitszeitlich überwiegend bauliche Tätigkeiten oder baufremde Arbeiten im Sinn des Tarifvertrags erbracht werden. Dabei wiederum ist von der überwiegenden Arbeitszeit innerhalb eines Kalenderjahrs auszugehen, soweit sich die Tätigkeiten des Betriebs mindestens über ein Kalenderjahr erstrecken.
Normenkette
TVG § 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. Februar 2000 – 8 Ca 286/99 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.758,54 EUR (i. W.: Zweitausendsiebenhundertachtundfünfzig 54/100 Euro) zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu zahlen.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, an den Kläger Beiträge zu zahlen (2.758,54 Euro – 5.395,24 DM bezüglich gewerblicher Arbeitnehmer für den Zeitraum von Juli bis Oktober 1998 einschließlich, wobei die Höhe des Betrages nicht im Streit steht).
Der Kläger im der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit ist die tarifvertraglich bestimmte Einzugsstelle aller Sozialkassen des Baugewerbes; er führt das gemeinsame Beitragskonto eines jeden tarifunterworfenen Arbeitgebers.
Die Parteien waren und sind unterschiedlicher Auffassung hinsichtlich der Frage, ob der Betrieb der Beklagten im Jahre 1998 dem betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 (VTV) – vgl. § 1 Absatz 2 VTV – in den für den genannten Zeitraum maßgeblichen jeweiligen Fassungen, in welchen der VTV durchgehend für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, unterfiel und ob die Beklagte damit für den Zeitraum von Juli bis Oktober 1998 einschließlich beitragspflichtig ist.
Die Arbeitsstunden der gewerblichen Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten im Jahre 1998 (insgesamt: 3701) verteilten sich, wie im Berufungsverfahren unstreitig geworden ist, prozentual wie folgt:
- • Tätigkeitsbereich 1 mit 17,2 %: Fugarbeiten an Gebäuden, Sanierungsarbeiten im Bereich des Säurebaus, Austausch defekter Fliesen und großflächige Erneuerung von Fugen, Beschichtungen (vor Ort gemischt oder angesetzt) in Verbindung mit Kunststoffharzprodukten in verschiedenen Stärken und Zusammensetzungen;
- • Tätigkeitsbereich 2 mit 4,0 %: Verschließen von Kernbohrungen mit Quellmörtel, Trockenbauarbeiten, diverse bauliche Tätigkeiten wie Stemmarbeiten, Pflasterarbeiten einschließlich der zum Zwecke der Plasterarbeiten erforderlichen Erdbelvegungsarbeiten sowie sonstige bauliche Arbeiten (in den Rechnungen nicht näher erläutert);
- • Tätigkeitsbereich 3 mit 43,4 %: Aufbringen von Dekorkieselbelägen laut Prospekt der Firma P.;
- • Tätigksitsbereich 4 mit 35,4 %: Fußbodenreinigungsarbeiten, Anstricharbeiten, Bodenbelagsarbeiten mit PVC-Belägen („Traficline”), Parkettarbeiten und Belagsreparaturen.
Dabei sind sich die Parteien darüber einig, dass die Tätigkeitsbereiche 1 und 2 als baugewerblich einzustufen sind. Weiter ist unstreitig, dass sich der Tätigkeitsbereich 3 wie folgt prozentual aufteilte:
- • 14 %: Verlegung von bei der Beklagten vorgefertigten Platten (vgl. dazu die von der Beklagten vorgelegten Fotografien in Umschlag Blatt 95 d.A.; zur Beschreibung der verlegten Platten vgl. die unbestritten gebliebene Darstellung der Beklagten auf Seite 1 des Schriftsatzes vom 05. April 2001 = Blatt 100 d.A.) außen,
- • 18 %: Verlegung von bei der Beklagten vorgefertigten Platten (vgl. dazu die von der Beklagten vorgelegten Fotografien in Umschlag Blatt 95 d.A. und die eben zitierte Darstellung der Beklagten) innen schwimmend auf Folie und
- • 68 %: Aufbringen von Dekorböden durch Auftragen einer mit Bindemittel angerührten Körnung.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug die Ansicht vertreten, der Betrieb der Beklagten sei im Jahre 1998 dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterfallen.
Der Kläger hat dementsprechend erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.395,24 DM zu zahlen.
Demgegenüber hat die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, nicht beitragspflichtig zu sein.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29. Februar 2000 (Blatt 47 bis 55 d.A.) die Klage in vollem Umfang abgewiesen, die Kosten dem Kläger auferlegt und den Wert des Stre...