Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit des Tarifvertrages
Leitsatz (redaktionell)
Die Abgrenzung zwischen einem Handwerksbetrieb und einem Industriebetrieb hat auch danach zu erfolgen, ob auf Vorrat oder auftragsbezogen gefertigt wird und ob die Produktion in Stufen gegliedert und im Rahmen standardisierter Prozesse organisiert ist oder nicht.
Verfahrensgang
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 10 AZN 559/12) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 06. Januar 2009 – 10/8 Ca 3950/07 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Revision zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie seit Oktober 2007 nicht mehr von dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) erfasst wird.
Die Beklagte ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Die Klägerin ist seit dem 29. Dezember 2006 Mitglied des Hauptverbandes der Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige e. V. (HDH). Ihr Betrieb ist beim Gewerbeamt A mit den Gegenständen „Maler- und Lackiererarbeiten aller Art, Trocken- und Akustikbau” eingetragen. Sie bietet individuelle Innenausbauten auch für größere Objekte und hat bis einschließlich September 2007 am Sozialkassenverfahren teilgenommen.
Die Klägerin hat mit ihrer am 14. Dezember 2007 bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden eingereichten Klage die Feststellung begehrt, als Betrieb zur Herstellung der in Anhang 1 Nr. 4, 5 (holz- und kunststoffverarbeitende Industrie) der Allgemeinverbindlicherklärung vom 15. Mai 2008 aufgeführten Produkte sei sie seit Begründung der Mitgliedschaft im HDH nicht mehr an den VTV gebunden. Sie hat behauptet, zu ca. 70% der Gesamtarbeitszeit würden Elemente für besondere Decken- und Wandausbauten wie Deckensegel, gebogene Wandverkleidungen, Heiz- und Kühlelemente für Decken, Wände und Böden, Lichtsysteme, Lichtvouten und -decken, individuelle Beleuchtungen, Brandschutzverkleidungen, Akustikelemente, Stahlrahmenverglasungen, Türen, Möbel und Fertigbäder auftragsbezogen im Betrieb hergestellt und dann vor Ort eingebaut. Auf den Herstellungsprozess entfalle dabei ein Arbeitszeitanteil von 20% bis 33%. Sie kaufe Platten, Profile und Schrauben und fertige daraus die individuellen Inneneinrichtungen und Einrichtungselemente. Die Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeit gelte für alle Mitglieder des HDH und nicht nur für Industriebetriebe. Tatsächlich führe sie aber auch einen Industrie- und nicht einen Handwerksbetrieb. Sie hat dazu weiter behauptet, sie beschäftige 65 gewerbliche Arbeitnehmer und 11 Angestellte, habe 18 Lastkraftwagen und weise ein Vorratsvermögen von 270.000,00 Euro sowie ein langfristiges Anlagevermögen mit einem Bilanzwert von 1,1 Mio. Euro auf. Bei einem Jahresumsatz von 3,7 Mio. Euro investiere sie jährlich ca. 280.000,00 Euro.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat die Klage durch Urteil vom 06. Januar 2009 abgewiesen (Bl. 140 – 150 d.A.).
Auf die Berufung der Klägerin hat die erkennende Kammer des Hessischen Landesarbeitsgerichts das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden abgeändert und durch Urteil vom 30. September 2009 (– 18 Sa 242/09 –) festgestellt, der Betrieb der Klägerin habe den Auskunfts- und Beitragspflichten nach §§ 18, 19 und 21 VTV ab dem 01. Oktober 2007 nicht mehr unterlegen. Es genüge, dass die Klägerin Mitglied des HDH sei. Die Einschränkungsklausel nach Abschn. I Abs. 1 der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifvertragswerken für das Baugewerbe vom 15. Mai 2008 (BAnz. Nr. 104 vom 15. Juli 2008 S. 2540) gelte auch für herstellende Betriebe, die nicht Industriebetriebe seien (vgl. Bl. 341 – 352 d.A.).
Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 13. April 2011 (– 10 AZR 838/09 –) das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Der Betrieb der Klägerin unterfalle nach § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV. Die Klägerin habe die überwiegende Verrichtung von Trocken- und Montagebauarbeiten vorgetragen. Auch die Beklagte gehe vom Überwiegen solcher Arbeiten aus. Der Betrieb der Klägerin sei auch nicht nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 11 VTV vom Geltungsbereich ausgenommen. Ob ihr Betrieb von der Allgemeinverbindlicherklärung vom 15. Mai 2008 erfasst werde, sei davon abhängig, ob es sich um einen Industriebetrieb handele, denn die Einschränkungsklausel sei so auszulegen, dass sie nur für Industriebetriebe greife. Zur Wiedergabe der vollständigen Gründ...