Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlung zur Erledigung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens. Annahmeverzug aus Ausbildungsverhältnis. unwirksame fristlose Kündigung. Annahmeverzug bei einem Ausbildungsverhältnis. Angebot zur “Prozessbeschäftigung„. Anrechnung böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes
Leitsatz (redaktionell)
1. a) Die fehlende subjektive Leistungsbereitschaft im Sinne des § 297 BGB ist eine Einwendung des Arbeitgebers gegen den Anspruch auf Annahmeverzug.
b) Das Erfordernis der Leistungsbereitschaft bezieht sich auf die vertraglich vorgesehene Tätigkeit und muss unabhängig von der den Annahmeverzug begründenden Kündigung die Bereitschaft bestehen, die betreffende Arbeit bei dem Vertragspartner zu den vertraglichen Bedingungen zu leisten.
c) Der Leistungswille ist tatsächlicher Natur, er ist nicht notwendig auf die Erfüllung des Vertragsverhältnisses gerichtet
2. Eine Erklärung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei “verpflichtet (seine) Ausbildung unverzüglich (…) wieder aufzunehmen„, da er “für den Fall des Widerspruchs gegen die fristlose Kündigung nicht von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt (wurde)„ lässt sich nicht als Angebot verstehen, die Ausbildung trotz der fristlosen Kündigung und während eines Kündigungsrechtstreits ordnungsgemäß weiterzuführen.
3. Fehlt es aber an einem entsprechenden Angebot, kommt eine Anrechnung böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienstes gem. § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG nicht in Betracht.
Normenkette
KSchG § 11; ZPO § 91a
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 20.10.2011; Aktenzeichen 1 Ca 127/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 20. Oktober 2010 - 1 Ca 127/10 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:
Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 25. August 2010 wird insoweit aufrecht erhalten, als die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 7.810,00 EUR (in Worten: Siebentausendachthundertzehn und 00/100 Euro) brutto abzüglich 1.515,14 EUR (in Worten: Eintausendfünfhundertfünfzehn und 14/100 Euro) netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03. September 2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und das Versäumnisurteil vom 25. August 2010 aufgehoben.
Hinsichtlich der Kosten gilt:
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz hat die Beklagte die durch die Säumnis im Termin vom 25. August 2010 entstandenen Kosten vorab zu tragen, im Übrigen trägt der Kläger 38 % der Kosten, die Beklagte 62 % der Kosten. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 4,5 %, die Beklagte 95,5 % zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aus einem beendeten Ausbildungsverhältnis.
Die Beklagte war Rechtsanwältin und als solche auch auf dem Gebiet der Steuerberatung tätig.
Der Kläger, geboren am XX.XX.19XX, ledig, schloss mit der Beklagten unter dem 01. September 2004 einen Berufsausbildungsvertrag zum Steuerfachangestellten. Mit Schreiben vom 30. Juli 2005 kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis zum Kläger das erste Mal fristlos aus wichtigem Grund. Eine weitere außerordentliche Kündigung wurde durch die Beklagte mit Schreiben vom 12. Dezember 2005 erklärt. Mit Datum vom 24. August 2006 erklärte die Beklagte eine dritte fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses.
Sämtliche fristlosen Kündigungen sind mittlerweile rechtskräftig für unwirksam erklärt worden (Urteil des Arbeitsgericht Offenbachs am Main vom 30. November 2005 - 1 Ca 323/05 -, Urteil des Hess. Landesarbeitsgericht vom 31. Oktober 2007 - 18 Sa 1509/06 -, Urteil des Hess. Landesarbeitsgericht vom 24. März 2010- 18 Sa 191/08 -).
Das vertraglich zum 31. August 2007 vorgesehene Ende der Ausbildung wurde erreicht, ohne dass sich der Kläger seit August 2005 mehr als insgesamt im Umfang einer Woche im Ausbildungsbetrieb aufhielt und dort ausgebildet wurde. Seit Januar 2006 besuchte der Kläger die Berufsschule nicht mehr und absolvierte seither auch keine ausbildungsbezogenen Prüfungen.
Der Kläger nahm jedoch seine Ausbildung im Büro der Beklagten am 22. August 2006 wieder auf. Am 23. August 2006 erschien der Kläger ebenfalls am Ausbildungsplatz, wobei die Parteien im Vorverfahren mit dem Aktenzeichen - 18 Sa 191/08 - (Arbeitsgericht Offenbach - 1 Ca 236/06 -) darüber gestritten haben, ob er pünktlich war oder sich um 10 Minuten verspätete. Der Kläger verließ das Büro der Beklagten in der Zeit zwischen 09:45 Uhr und 10:00 Uhr und legte später eine Bescheinigung vor, nach der er bis 25. August 2006 arbeitsunfähig war. Mit Schreiben vom 24. August 2006 hatte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis erneut fristlos gekündigt.
Schon in Zusammenhang mit der Kündigung vom 30. Juli 2005 schrieb die Beklagte am 11. August 2005 an den Kläger (Anlage zur Klageschrift im Rechtsstreit der Parteien mit dem Aktenzeichen - 1 Ca 323/05 -):
"Ich weise Sie nochmals darauf hin, dass ich ...