keine Angaben zur Rechtskraft

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersatzzustellung. Wohnanschrift. Strafhaft. Zurückverweisung. Antrag. Zeitpunkt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Antritt einer mehrjährigen Strafhaft hebt die Wohnungseigenschaft i.S.d. §§ 178 ff. ZPO auf, selbst wenn dem Inhaftierten über Angehörige (z.B. Ehefrau) noch Bindungen zur Wohnung bleiben und äußerlich noch der Anschein einer Wohnung des Inhaftierten fortbesteht.

2. Der Antrag auf Zurückverweisung an das Arbeitsgericht kann noch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist in der Berufungsverhandlung gestellt werden.

 

Normenkette

ZPO § 178 ff., § 538 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 31.01.2006; Aktenzeichen 10 Ca 6721/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Januar 2006 – 10 Ca 6721/05 – aufgehoben und die Sache wird zur weiteren Verhandlung – auch über die Kosten der Berufung – an das Arbeitsgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen und einer weiteren außerordentlich fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten gegenüber dem Kläger.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Chemieindustrie.

Der am 7. Februar 1960 geborene, verheiratete Kläger ist Vater von drei Kindern. Er wurde ab dem 15. November 1984 unter Anrechnung einer Betriebszugehörigkeit seit dem 15. September 1981 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin als Betriebsfachwerker beschäftigt. Zuletzt übte der Kläger bei der Beklagten die Funktion eines Betriebsmeisters im A-Betrieb aus und verdiente nach eigenen Angaben im Monat rund EUR 4.000,00 brutto.

Mit Schreiben vom 19. April 2005 (Bl. 43 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zunächst ordentlich zum 30. September 2005. Mit weiterem Schreiben vom 27. Juni 2005 (Bl. 15 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen unentschuldigten Fehlens auch noch einmal außerordentlich, fristlos und vorsorglich wiederum ordentlich zum 31. Dezember 2005.

Am 29. Juli 2005 trat der Kläger eine voraussichtlich bis zum 23. April 2008 dauernde Haftstrafe an (Bl. 145 d. A.).

Bereits am 3. Mai 2005 hat der Kläger beim Amtsgericht Oldenburg in Holstein unter dem Aktenzeichen 3 C 265/05 Kündigungsschutzklage gegen die zum 30. September 2005 von der Beklagten ausgesprochene Kündigung erhoben. Mit dem am 29. Juni 2005 eingegangenen Schriftsatz vom 28. Juni 2005 hat sich der Kläger zudem gegen die Wirksamkeit der weiteren Kündigung der Beklagten vom 27. Juni 2005 gewandt. Bereits mit Beschluss vom 27. Juni 2005 (Bl. 19 und 20 d. A.) hat das Amtsgericht Oldenburg in Holstein den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das örtlich und sachlich zuständige Arbeitsgericht Frankfurt am Main verwiesen.

Gegen den im Termin zur Güteverhandlung nicht erschienenen Kläger hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main mit am 23. September 2005 verkündeten Versäumnisurteil – 10 Ca 6721/05 (Bl. 96 d. A.) – die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Das Versäumnisurteil wurde dem Kläger am 28. September 2005 unter der Anschrift XXXXXXXX XX X in XXXXX XXXXXXX durch Einlegung des Schriftstücks in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Einrichtung zugestellt (Bl. 97 d. A.).

Am 25. November 2005 hat der Kläger gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt und zugleich beantragt, ihm wegen der Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat behauptet, weder die Ladung zur Güteverhandlung noch das Versäumnisurteil erhalten zu haben. Erst durch einen Anruf seines Prozessbevollmächtigten bei Gericht am 17. November 2005 habe er hiervon erfahren. Das Versäumnisurteil selbst sei dann seiner Ehefrau nach deren Auszug am 1. September 2005 trotz Nachsendeantrag erst im Dezember 2005 von dem Nachmieter ausgehändigt worden.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat ohne mündliche Verhandlung mit einem am 31. Januar 2006 verkündeten Urteil – 10 Ca 6721/05 (Bl. 109 – 115 d. A.) – den Einspruch des Klägers als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Versäumnisurteil sei dem Kläger am 28. September 2005 noch unter seiner Wohnanschrift XXXXXXXX XX X in XXXXX XXXXXXX wirksam zugestellt worden und sein Einspruch hiergegen sei außerhalb der Wochenfrist des § 59 S. 1 ArbGG erfolgt. Wiedereinsetzung sei dem Kläger nicht zu gewähren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Wegen der Daten der Zustellung des Urteils an den Kläger, der Berufungseinlegung und deren Begründung wird auf die Feststellungen im Protokoll vom 15. Februar 2007 (Bl. 171 d. A.) verwiesen.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist insbesondere der Ansicht, aufgrund seiner Inhaftierung sei eine Zustellung unter seiner bisherigen Wohnanschrift unwirksam gew...

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