Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung wegen Kokurrenztätigkeit Anhörung des Betriebsrates

 

Leitsatz (amtlich)

1. Informiert der Arbeitgeber im Rahmen der Anhörung des Betriebsrates nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht auch über Begleitumstände, die dem an sich eine Kündigung tragenden Sachverhalt ein besonderes Gewicht verleihen und für die Interessenabwägung erhebliche Bedeutung haben (können), so sind diese Begleitumstände bei der Prüfung der Berichtigung der Kündigung nicht verwertbar.

2. Ohne (wenigstens) einen Hinweis auf das Vorliegen solcher Begleitumstände ist der Betriebsrat mit diesen nicht befaßt und braucht insbesondere nicht von sich aus solche Begleitumstände ermitteln, indem er ihm übergebene Unterlagen auf solche Begleitumstände hin prüft und auswertet.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1; HGB § 60; KSchG § 15 Abs. 1; BetrVG § 102 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.07.1997; Aktenzeichen 6 Ca 4825/96)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 16.07.1997 – 6 Ca 4825/96 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auch zweitinstanzlich um die Berechtigung der der Klägerin mit Schreiben der Beklagten vom 05.06.1996 erklärten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung sowie die hilfsweise fristgemäße Kündigung mit Schreiben vom 29.07.1996 sowie um Zahlungsansprüche für die Monate Juni bis August 1996.

Wegen des zugrundeliegenden Sachverhaltes, des Vorbringens der Parteien und ihre Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung vom 05.06.1996 noch durch die gleichzeitig ausgesprochene hilfsweise Kündigung zum nächstmöglichen Termin und auch nicht durch die hilfsweise fristgemäße Kündigung vom 29.07.1996 zum nächstmöglichen Termin beendet worden ist und hat zudem die Beklagte entsprechend den Anträgen der Klägerin zu Zahlungen verurteilt.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird, richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie Klageabweisung in vollem Umfang weiterverfolgt. Wegen der für die Zulässigkeit der Berufung erheblichen Daten wird auf die Feststellungen zur Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichtes vom 05.08.1998 Bezug genommen.

Die Beklagte hält daran fest, schon die fristlose Kündigung sei berechtigt. Die unerlaubte Konkurrenztätigkeit – bestehend im Verkauf von Flugreisen gegen – Provision für ein anderen Unternehmen, nämlich das … Reisebüro, auf dem Hintergrund eines mit diesem Reisebüro abgeschlossenen Vertrages als freie Mitarbeiterin – stelle einen wichtigen Grund für die Kündigung der Klägerin dar. Dies habe das Arbeitsgericht verkannt.

Zudem habe die Klägerin ihre Konkurrenztätigkeit während der Arbeitszeit von ihrem Arbeitsplatz aus ausgeübt, das Faxgerät und Telefon im Betrieb hierfür benutzt und ihren, der Beklagten, Briefkopf und Namen im Zusammenhang mit einer Hotelbuchung für eine von ihr für das … – Reisebüro vermittelte Reise eingesetzt, um die Hotelbuchung zu ermöglichen. Unabhängig von der Konkurrenztätigkeit trage auch dieses Verhalten schon eine fristlose Kündigung. Bei alledem sei auch zu berücksichtigen, daß die Klägerin als Sekretärin des Deutschland-Managers eine Vertrauensstellung habe. – Für das zweitinstanzliche Vorbringen der Beklagten wird im übrigen auf ihre Schriftsätze vom 30.01.1998, 22.07.1998 und 24.08.1998 (jeweils nebst Anlagen) verwiesen.

Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung. Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt insbesondere vor, durch die geringfügige Vermittlung von Reisen für Bekannte seien die Interessen der Beklagten in keiner Weise berührt worden. Jedenfalls habe es vor einer fristlosen Kündigung einer Abmahnung bedurft, zumal sie, die Klägerin, seit 1974 ihre Tätigkeiten für die Beklagte beanstandungsfrei ausgeübt habe. – Für das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren wird im übrigen auf ihre Berufungserwiderung mit Schriftsatz vom 12.08.1998 Bezug, genommen.

Die Berufungskammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin … und der Zeugin … Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.08.1998 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten kann keinen Erfolg haben.

A.

Weder die fristlose und hilfsweise auch fristgemäß erklärte Kündigung mit Schreiben vom 05.06.1996 noch die hilfsweise fristgemäße Kündigung mit Schreiben vom 29.07.1996 vermochten das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin aufzulösen; diese Kündigungen sind unwirksam, da entweder unzulässig oder unberechtigt.

I.

Vorab ist festzuhalten, daß die Wirksamkeit der fristgemäßen Kündigungen bereits an § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG scheitert. Die Klägerin hat als Ersatzmitglied des Betriebsrates an einer Betriebsratssitzung am 24.10.1995 teilgenommen, was die Beklagte auch nicht mehr weiter bestreitet. We...

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