Entscheidungsstichwort (Thema)
Persönlicher Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge im Baugewerbe
Leitsatz (amtlich)
Auch sogenannte geringfügig Beschäftigte, für die nach der RVO keine Versicherungsbeiträge abzuführen sind, fallen unter den persönlichen Geltungsbereich des Verfahrens-TV.
Normenkette
§ 1 TVG/Verfahrenstarifvertrag im Baugewerbe
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 13.10.1987; Aktenzeichen 1 Ca 2917/86) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 13.10.1987 – 1 Ca 2917/86 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes, die nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe (Verfahrens-TV) die Beiträge für die Zusatzversorgung, den Lohnausgleich und den Urlaub der Arbeitnehmer des Baugewerbes von den Arbeitgebern einzieht und Auskünfte zur Errechnung der Beiträge einholt.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten zu 1), die ein Baugeschäft betreibt, Zahlung von restlichen Beitragen für die Zelt Dezember 1981, 1983, bis 1986. Der Beklagte zu 2) ist der Komplementär der Beklagten zu 1).
Die Beklagte zu 1) nimmt am Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft teil, hat jedoch in den genannten Zeiträumen die Bruttolohnsummen für zwei beschäftigte Reinmachefrauen nicht gemeldet und auch keine Beiträge gezahlt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen an die Klägerin 3.795,32 DM zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben geltend gemacht, die beiden Arbeitnehmerinnen, die weniger als 15 Wochenstunden beschäftigt seien, die der Pauschalversteuerung unterlegen seien und für die keine Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten gewesen zu seien, unterfielen nicht dem persönlichen Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und in den Entscheidungsgründen unter anderem ausgeführt, daß es für den persönlichen Geltungsbereich nicht auf die persönliche Rentenversicherungspflicht ankomme, sondern entscheidend sei, daß der Arbeitnehmer eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausübe. Auf die weiteren Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Gegen das Ihnen am 21.10.1987 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 20.11.1987 Berufung eingelegt und diese mit am 21.12.1987 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Die Beklagten vertiefen ihr Vorbringen erster Instanz und machen geltend, bei der Auslegung der tariflichen Regelung über den persönlichen Geltungsbereich müsse berücksichtigt werden, daß der Gesetzgeber in den Fällen sogenannter Geringverdiener einen Sozialversicherungsschutz nicht für notwendig halte und daß dies den Tarifvertragsparteien bekannt gewesen sei, sie aber dennoch durch das Abstellen auf eine versicherungspflichtige Tätigkeit pauschal auf die Regelungen der RVO verwiesen hätten. Hätten die Tarifvertragsparteien etwas anderes gewollt, hätten sie dies ausdrücklich zum Ausdruck bringen müssen. Außerdem stelle der Umstand, daß nur der Arbeitgeber im Gegensatz zur Regelung in der Sozialversicherung allein zur Zahlung der Beiträge … herangezogen werde, eine gegen Artikel 3 Grundgesetz verstossende Ungleichbehandlung dar. Es stelle auch einen Verstoß gegen höherrangiges Recht dar, daß die Arbeitgeber der Bauwirtschaft anders behandelt würden als die Arbeitgeber anderer Branchen. Sogenannte geringfügig Beschäftigte könnten niemals in den Genuß einer Rente und damit einer Zusatzversorgung kommen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht.
Zur Ergänzung des beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung und die Berufungserwiderung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die nach dem Wert des Streitgegenstandes statthafte Berufung (§ 64 Abs. 2 ArbGG) ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden.
In der Sache selbst ist die Berufung nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung zu Recht den Beitragsanspruch der Klägerin für begründet erachtet. Auch das Berufungsvorbringen der Parteien rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Die Beklagten sind verpflichtet, Beiträge auch für die geringfügig Beschäftigten abzuführen, die nicht der Rentenversicherung der Arbeiter unterliegen. Der persönliche Geltungsbereich des Verfahrens-TV vom 12.11.1960 in den Fassungen vom 19.12.1983, 12.12.1984 und 17.12.1985 erfaßt in § 1 Ziffer 3
Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeiten ausüben.
Welchen Personenkreis die Tarifvertragsparteien mit dieser Geltungsbereichsregelung haben erfassen w...