Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezugnahmeklausel. Tarifvertrag. Auslegung. Änderungskündigung. betriebsbedingt
Leitsatz (redaktionell)
Haben die Arbeitsvertragsparteien einzelvertraglich wirksam den BAT in Bezug genommen und erfüllt der Arbeitnehmer die Voraussetzungen der Unkündbarkeit nach § 53 Abs. 3 BAT, so ist eine ordentliche Änderungskündigung unwirksam.
Normenkette
BGB § 305 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.09.2005; Aktenzeichen 17/20 Ca 44/05) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2005 – 17/20 Ca 44/05 – abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung der Beklagten vom 15. Dezember 2004 unwirksam ist.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung.
Der am 10. Juli 1955 geborene Kläger (verheiratet, zwei Kinder, wobei der Kläger einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig ist) ist bei der Beklagten (früher: A.) seit dem 01. Januar 1985 beschäftigt. Seit 1988 übt er die Tätigkeit eines Frachtagenten im Bereich BVD-F aus, in der Tariflohngruppe V b-K BAT mit einem durchschnittlichen Monatsbruttogehalt von zuletzt etwa 3.150,00 Euro. In dem maßgeblichen schriftlichen Arbeitsvertrag vom 01. November 1984, wegen dessen weiterer Einzelheiten auf die zu den Gerichtsakten gereichte Kopie (Blatt 13/14 d.A.) verwiesen wird, heißt es u. a.:
„Der Arbeitsvertrag richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) einschließlich der für die B. geltenden Zusatzbestimmungen, den betrieblichen Regelungen und den Dienstvorschriften.”
Der Kläger ist nicht Mitglied der C.
Die Beklagte beschäftigt regelmäßig etwa 13.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie betrieb u. a. die Abfertigung von Luftfracht am Flughafen D. in der Abteilung Bodenverkehrsdienste – Fracht (BVD-F), in der ca. 600 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – darunter der Kläger – beschäftigt waren. Die Beklagte nahm in dieser Abteilung zum einen mit eigenem Personal die von Frachtführern im Auftrag von Luftverkehrsgesellschaften angelieferte Luftfracht entgegen, lagerte sie zwischen, kommissionierte die Luftfracht nach Angaben der Luftverkehrsgesellschaft, verwog sie und stellte sie zur Verladung in Flugzeuge bereit (so genannter Export). Zum anderen übernahm die Beklagte Luftfracht auf Paletten oder in Containern von Luftverkehrsgesellschaften, die aus Flugzeugen entladen worden war. Die Beklagte lagerte auch diese Fracht vorübergehend ein, bis sie von einem Frachtführer oder einem
Endkunden der Luftverkehrsgesellschaft abgeholt wurde (so genannter Import). Zu der Tätigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Abteilung BVD-F gehörte weder die Verladung der Fracht in die Flugzeuge noch die Entladung der Flugzeuge. Für diese Flugzeugabfertigung bestand und besteht bei der Beklagten eine eigene Abteilung.
Die Abteilung BVD-F besaß eine große Halle auf dem Flughafengelände mit Lager- und Büroraum sowie eine Wiegestation direkt vor der Halle zwischen der Halle und dem Vorfeld mit Büro- und Unterkunftscontainern. Sie besaß Flurförderfahrzeuge, insbesondere Gabelstapler zum Transport von Packstücken, Paletten und Containern vornehmlich innerhalb der Halle, Lagereinrichtungen in der Halle sowie eine übliche Büroausstattung und ein EDV-System zur administrativen Abwicklung der Frachtabfertigung.
Am 14. April 2003 beschloss der Vorstand der Beklagten zur Vermeidung sich erhöhender Verluste, den Bereich BVD-F in die hundertprozentige Tochter der Beklagten E. zu verlagern. Während die Beklagte durch Verbandsmitgliedschaft an den BAT und den BMT-G gebunden ist und mit allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den Arbeitsverträgen die Geltung dieser Tarifwerke zwecks Gleichstellung vereinbart, unterliegt die Tochtergesellschaft nicht diesen Bindungen und kann daher auf dem Markt kostengünstiger auftreten. Der konzerninternen Verlagerung stimmte der Aufsichtsrat am 24. September 2003 zu. Auf Grund der innerbetrieblichen Diskussion und der Verhandlungen mit dem Betriebsrat zeichnete sich jedoch ab, dass die Mehrzahl der Beschäftigten der Abteilung BVD-F einem Betriebsübergang widersprechen werde. Die Beklagte richtete daher in dem Bereich Bodenverkehrsdienste die neue Abteilung Frachtservice ein (BVD-FS). In dieser Abteilung sollten die Beschäftigten aus der Abteilung BVD-F aufgefangen werden, die einem Betriebsübergang widersprechen würden. Die in der neuen Abteilung BVD-FS beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten dann im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei der E. eingesetzt werden. Zwischenzeitlich hat die E. umfirmiert und heißt heute F..
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2003 (Kopie Blatt 30 bis 32 d.A.) unterrichtete die Beklagte den Kläger und alle anderen Arbe...