Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderurlaub für Mitarbeiter (innen) in der Jugendarbeit Entgeltfortzahlung. Ausgleichsabgabe. Verfassungswidrigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Verfassungswidrigkeit der Ausgleichsabgabe nach dem Hess. Gesetz über Sonderurlaub für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit i.d.F. vom 11. Februar 1994 (GVBl. I S. 126) und der damit in Verbindung stehenden Entgeltfortzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers für die Dauer des Sonderurlaubs.
Normenkette
GG Art. 12 Abs. 1, Art. 105
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 08.05.1995; Aktenzeichen 6 Ca 22/94) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 08. Mai 1995-6 Ca 22/94 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche: Entgeltfortzahlung nach dem hessischen Gesetz über Sonderurlaub für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der … Jugendarbeit – JugArbSUrlG (hier ist im weiteren von Sonderurlaubsgesetz die Rede) – in der ab dem 06. August 1993 geltenden Fassung vom 27. Juli 1993 – GVBl. I S. 364 – (Neubekanntmachung des Gesetzes vom 11. Februar 1994 ([GVBl. I S. 125]).
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metallwarenbranche, sie beschäftigt etwa 150 Mitarbeiter(innen).
Der am … geborene Kläger, der ehrenamtlich und führend in der katholischen Jugendarbeit tätig ist, war bei ihr seit dem 01. September 1989 als Sachbearbeiter beschäftigt – inzwischen ist das Arbeitsverhältnis beendet – und verdiente im Sommer 1994 DM 3.660,– brutto pro Monat.
Unter dem 09. Mai 1994 beantragte auf Anforderung der katholischen Jugendzentrale, Bund der Deutschen Katholischen Jugend, Dekanate …, … und …, vom 26. April 1994 der Bund der Deutschen Katholischen Jugend, Diözese …, bei der Beklagten für den Kläger Sonderurlaub nach dem Gesetz über Sonderurlaub für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit für ein Sommerlager in der Zeit vom 18. bis 29. Juli 1994 (die zunächst unrichtige Datumsangabe wurde nachträglich korrigiert). Die Bezeichnung der Veranstaltung lautete: „Sommerlager der katholischen Pfarrei … „. Das diesbezügliche Befürwortungsschreiben des Hessischen Jugendrings e.V. datiert vom 16. Mai 1994.
Nachdem die Beklagte unter dem 03. Juni 1994 den Sonderurlaub für den Kläger abgelehnt hatte, wurde sie vom Arbeitsgericht im einstweiligen Verfügungsverfahren mit Urteil vom 13. Juli 1994 – 3 Ga 8/94 – verpflichtet, den Kläger gemäß dem genannten Sonderurlaubsgesetz in der Zeit vom 18. bis 29. Juli 1994 von der Arbeitsleistung freizustellen. Ausdrücklich nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung stellte die Beklagte den Kläger entsprechend frei, und der Kläger nahm als Jugendgruppenleiter an der Veranstaltung teil. Jedoch zahlte die Beklagte nur einen Teil des Juligehaltes des Klägers aus, DM 1.646,– DM brutto behielt sie wegen der Teilnahme des Klägers an der Veranstaltung ein.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihm die Zeit der Freistellung zu bezahlen, wie dies im Sonderurlaubsgesetz vorgesehen sei. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Sonderurlaubsgesetz bestünden nicht, jedenfalls berührten derartige Bedenken seinen Anspruch nicht. Angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei die nunmehr im Sonderurlaubsgesetz für private Arbeitgeber vorgesehene Fondslösung (mit Ausgleichsabgabe und Erstattung der Entgeltfortzahlung) nicht zu beanstanden).
Der Kläger hat dementsprechend vor dem Arbeitsgericht beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 1.646,– brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 22. September 1994 (= Tag der Klagezustellung) zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, nicht zur Zahlung verpflichtet zu sein. Das Sonderurlaubsgesetz sei nämlich verfassungswidrig, weshalb sie auch – dies ist unstreitig – keine Zahlungen in den Ausgleichsfonds gemäß § 7 des Sonderurlaubsgesetzes geleistet habe und leiste sowie keinen Erstattungsantrag gestellt habe und stelle. Zur Verfassungswidrigkeit hat die Beklagte im wesentlichen ausgeführt (für die Details wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 29. November 1994 – Blatt 22 bis 33 d.A. –), die den Unternehmen auferlegte Abgabe stehe schon deswegen nicht in Einklang mit der Verfassung, weil sie für die Arbeitgeber nicht die erforderliche „Gruppennützlichkeit” aufweise: Es fehle die spezifische Gruppenverantwortung der Arbeitgeberschaft für den mit der Abgabe zu finanzierenden Zweck, nämlich die Förderung der ehrenamtlichen Jugendarbeit durch Refinanzierung des Lohnaufwandes des einzelnen Arbeitgebers. Außerdem werde der im Sonderurlaubsgesetz vorgesehene Ausgleichsfonds in vollem Umfang von größeren Arbeitgeber (mit mehr als 50 Arbeitsplätzen) finanziert, was diese in nicht zu rechtfertigender Weise erheblich ungleich belaste. Ergänzend hat...