Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung. Rechtsfolgen der fortlaufenden Erfassung nicht gewährter Urlaubstage in den Gehaltsabrechnungen

 

Leitsatz (amtlich)

Eine vertragliche Vereinbarung auf Übertragung von Urlaub ist nicht begrenzt auf die Übertragung ins Folgejahr.

Die fortlaufende Erfassung der offenen Urlaubstage in den Gehaltsabrechnungen lässt auf den Vertragswillen schließen, dass kein Verfall von im laufenden Arbeitsverhältnis erworbenen Urlaubs eintreten soll (LAG Düsseldorf - 12 Sa 1512/09 -).

Es verstößt gegen Treu und Glauben, wenn der Arbeitgeber sich bei fortlaufender Erfassung der offenen Urlaubstage, dann darauf beruft, diese seien verfallen.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 1, 3; BGB §§ 133, 157, 242

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 18.12.2015; Aktenzeichen 23 Ca 4933/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.03.2019; Aktenzeichen 9 AZR 881/16)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt am Main vom 18.12.2015 - 23 Ca 4933/15 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger Urlaubsabgeltung in Höhe von 20.731,15 EUR (in Worten: Zwanzigtausendsiebenhunderteinunddreißig und 15/100 Euro) brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Urlaubsansprüche. Der Kläger war bei der Beklagten zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 19. August 1998 (vgl. Anlage K1 zur Klageschrift, Bl. 5 - 9 d. A.) bis zum 31. August 2016 als Exportsachbearbeiter zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.650,00 € beschäftigt. Der Arbeitsvertrag lautet hinsichtlich des Urlaubs auszugsweise wie folgt:

"§ 8

Urlaub

Die Dauer des Urlaubs richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen.(...)

Der Urlaub beträgt demnach zurzeit 30 Arbeitstage im Jahr. Der Arbeitnehmer hat hinsichtlich des Zeitpunktes des Urlaubsantritts auf die betrieblichen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. Urlaubsansprüche sind bis spätestens 31. März des dem Urlaubsjahr folgenden Jahres geltend zu machen."

Die Parteien gingen seit Beginn des Arbeitsverhältnisses übereinstimmend von einem jährlichen Urlaubsanspruch in Höhe von 30 Arbeitstagen aus. Der Kläger nahm jedoch seinen Jahresurlaub nie voll in Anspruch, sondern hatte im Schnitt in den Jahren 1999 bis 2015 19 Urlaubstage jährlich in Anspruch genommen. In den Lohnabrechnungen, die im Briefkopf die Beklagte ausweisen, ist unter der Bezeichnung "Urlaub-Rest", "Resturlaub" bzw. "U ges VJ" jeweils der kumulierte Gesamturlaub ausgewiesen. So wird auf der Abrechnung für Januar 2015 (vgl. Anlage K36 zur Klageschrift vom 27. Oktober 2015, Bl. 71 d. A.) der Urlaubsanspruch mit der Bezeichnung "U ges VJ" angegeben mit 199,5 sowie "U Rest VJ" 198,5 auf der Abrechnung Dezember 2014 (vgl. Anlage K35 zur Klageschrift vom 27. Oktober 2015, Bl. 70 d. A.) ein Urlaubsanspruch mit der Bezeichnung "U Rest VJ" von 169,5. Wegen der Einzelheiten der für den Zeitraum Dezember 1998 bis Januar 2015 vorgelegten Lohnabrechnungen wird auf die Anlagen K5 bis K36 zur Klageschrift vom 27. Oktober 2015 Bl. 40 - 71 d. A. verwiesen.

Mit seiner am 15. Juli 2015 beim Arbeitsgericht eingegangen Klage und der Klageerweiterung vom 27. Oktober 2015 begehrt der Kläger die Gewährung von Urlaub. Er hat gemeint, seine Urlaubsansprüche seien seit 1998 in jedem Jahr einvernehmlich übertragen worden. Der Geschäftsführer selbst habe zugesagt, dass der Urlaub nicht am Ende des Kalenderjahres und auch nicht am 31. März des Folgejahres verfallen würde. Sein Anspruch ergebe sich damit aus einer vertraglichen Vereinbarung, entweder durch die Zusage des Geschäftsführers oder aus betrieblicher Übung. Als günstigere Regelung sei diese gegenüber dem Gesetz vorrangig zu beachten. Jedenfalls sei ein Berufen der Beklagten auf ein Verfall der Urlaubsansprüche treuwidrig.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm 199,5 Urlaubstage zu gewähren.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat behauptet, eine generelle Zusage zur Urlaubsübertragung habe es nicht gegeben. In rechtlicher Hinsicht hat sie gemeint, die Angaben auf den Abrechnungen seien ihr nicht zuzurechnen, da sie - was unstreitig ist - von einer externen Firma erstellt worden. Die Beklagte hat auch die Ansicht vertreten, die Angaben auf den Abrechnungen seien nicht als eine vertragliche Zusage zu werten. Jedenfalls aber sei eine derartig lange Übertragung von Urlaubsansprüchen unzulässig.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 18. Dezember 2015 der Klage im Umfang von 30 Urlaubstagen stattgegeben. Es hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger 30 Urlaubstage ab Rechtskraft der Entscheidung zu gewähren. Es hat angenommen, der Kläger habe Anspruch auf Urlaubsgewährung in Höhe von 30 Arbeitstagen für das Kalenderjahr 2014 aufgrund einer konkludent geschlossenen vertraglichen Vereinbarung der Parteien. Eine solche Übertragungsvereinbarung könne auch konkludent erfolgen, beispielsweise dadurch, dass der Arbeitgeber übe...

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