Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckungsabwehrklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Schließen die Parteien eines Kündigungsschutzprozesses einen dahingehenden Vergleich, daß der Arbeitnehmer zu einem späteren Zeitpunkt gegen Zahlung einer Abfindung ausscheidet, und kündigt der Arbeitgeber vor dem Ausscheiden wirksam fristlos, kann für die Zahlung der vereinbarten Abfindung die Geschäftsgrundlage entfallen.

2. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage kann im Wege der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden.

3. Eine Vollstreckungsabwehrklage, die sich gegen einen Titel mit mehreren Teilansprüchen und insbesondere einen Vergleich mit mehreren Teilvereinbarungen wendet, ist nur insoweit zulässig, als zu jedem Teil eine Begründung vorgebracht und als der Teil vollstreckbar ist. Das Begründungserfordernis gilt entsprechend für die Zulässigkeit der Berufung.

 

Normenkette

ZPO §§ 767, 794 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.12.1993; Aktenzeichen 4 Ca 546/91)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 22. Dezember 1993 – 4 Ca 546/91 – wird soweit sie die Nummern 1 und 3–7 des Vergleichs vom 29. August 1991 – 4 Ca 297/91 – betrifft, als unzulässig verworfen und zu Nr. 2 zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich der Parteien vom 28. August 1991 in dem Rechtsstreit 4 Ca 297/91 (Bl. 9/9 R d. A.) Arbeitsgericht Frankfurt am Main der Parteien für unzulässig zu erklären.

Der Beklagte war seit dem 01. September 1990 in dem Unternehmen der Klägerin in deren Zweigniederlassung in Frankfurt am Main gemäß Anstellungsvertrag vom 30./31. August 1991 (AV, Bl. 33–37 d. A.) als stellvertretender Filialleiter tätig. Die vertragliche Vergütung betrug lt. Nr. 3 AV 3.200,– DM brutto im Monat. Mit Schreiben vom 28. Juni 1991, dem Beklagten zugegangen am 06. Juli 1991, kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 01. Dezember 1991. Auf die von dem Beklagten, dem damaligen Kläger, gegen die Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage schlossen dieser und die Klägerin, die damalige Beklagte, am 28. August 1991 einen gerichtlichen Vergleich, der u.a. folgenden Wortlaut hat:

  1. Die Parteien sind sich einig, daß das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch ordentliche, betriebsbedingte Kündigung der Beklagten zum 31.12.1991 beendet werden wird.
  2. Die Beklagte zahlt an den Kläger eine Abfindung entsprechend den §§ 9, 10 KSchG in Verbindung mit § 3 Ziff. 9 EStG in Höhe von DM 6.400,– (i. W. 6.400,– Deutsche Mark) brutto für netto, fällig am 31.12.1991.
  3. Die Beklagte vergütet den Kläger entsprechend dem Arbeitsvertrag bis zum 31.12.1991, wobei die Parteien sich einig sind, daß dem Kläger ein weiterer Provisionsanspruch nicht zusteht.
  4. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Zwischenzeugnis sowie ein Endzeugnis.
  5. Die Parteien sind sich einig, daß die Urlaubssperre aufgehoben ist und der Kläger seinen Resturlaub von 15 Tagen nehmen kann.
  6. Die Beklagte erklärt, daß sie aus den erteilten Abmahnungen keine Rechtsfolgen herleiten werde.
  7. Damit ist dieser Rechtsstreit erledigt.

    Miterledigt ist das Verfahren 4 Ca 344/91 …

    … (Bl. 9/9 R der Beiakte 4 Ca 297/91 Arbeitsgericht Frankfurt am Main).

Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten mit einem Schreiben vom 22. November 1993 das von dem Geschäftsführer der Beklagten unterschrieben, dem Kläger am 26. November 1991 zuging, fristlos (Bl. 53 d. A.). Die gegen diese Kündigung von dem Beklagten erhobene Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main mit einem am 22. Dezember 1992 verkündeten Urteil – 4 Ca 495/91 – abgewiesen; die gegen dieses Urteil von dem Beklagten eingelegte Berufung hat die erkennende Kammer mit einem Urteil von demselben Tage – 9 Sa 582/93 – zurückgewiesen, ohne die Revision zuzulassen.

Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, daß durch die fristlose Kündigung vom 22./26. November 1991 die Geschäftsgrundlage für den Vergleich entfallen sei und hat beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus dem vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am 29. August 1991 geschlossenen Vergleich – 4 Ca 297/91 – für unzulässig zu erklären.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die fristlose Kündigung der Klägerin für unwirksam gehalten.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat gemäß Beweisbeschluß vom 11. Juni 1992 (Bl. 29 R d. A.) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen H. und D. – (Vernehmungsniederschrift Bl. 31–40 d. A.). Es hat alsdann mit einem am 22. Dezember 1992 verkündeten und dem Beklagten am 29. März 1993 zugestellten Urteil – 4 Ca 546/91 (Bl. 51–57 d. A.) – der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 21. April 1993 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21. Juni 1993 am 11. Juni 1993 begründet.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger unte...

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