Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Aufrechnung oder Verrechnung mit Erstattungsansprüchen des Arbeitgebers im Sozialkassenverfahren des Baugewerbes
Leitsatz (redaktionell)
§ 18 Abs. 5 S. 2 VTV vom 18.11.2009 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 21.12.2011 schließt die Aufrechnung mit Erstattungsansprüchen aus. Dieses Aufrechnungsverbot gilt gem. § 15 Abs. 5 S. 2 VTV in der seit dem 01.07.2013 geltenden Neufassung fort.
Orientierungssatz
Keine Aufrechnung oder Verrechnung mit Erstattungsansprüchen des AG, wenn das Beitragskonto nicht ausgeglichen ist.
Normenkette
VTV § 15 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 10.04.2014; Aktenzeichen 10 Ca 52/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 10. April 2014 - 10 Ca 52/14 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, in welcher Höhe die Beklagte an die klagende Urlaubskasse des Baugewerbes Sozialkassenbeiträge für die Zeit von Juni bis August 2013 zu zahlen hat.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe - BRTV -, Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe - VTV -) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütung zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer und Pauschalbeträge für Angestellte an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte hat ihren Sitz in A. Sie hat in erster Instanz nicht bestritten, dass sie wegen ihrer betrieblichen Tätigkeit dem VTV unterliegt. Sie meldete dem Kläger Bruttolohnsummen.
Der Kläger fordert nach den Meldungen der Beklagten für den Zeitraum von Juni bis August 2013 Beiträge in Höhe von 15.824,40 €.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.824,40 € zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat in dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden nichts vorgetragen.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat der Klage durch Urteil vom 10. April 2014 stattgegeben.
Zur Wiedergabe der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils sowie das weitere Vorbringen des Klägers im ersten Rechtszug wird auf das Urteil Bezug genommen (Bl. 10-13 d.A.).
Die Beklagte hat gegen das ihr am 02. Juni 2014 zugestellte Urteil mit am 27. Juni 2014 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Ihre Berufungsbegründung ist am 01. September 2014 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen, nachdem sie zuvor rechtzeitig die Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung beantragt hat.
Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, ihr stehe ein die Forderung überwiegend zum Erlöschen bringender Erstattungsanspruch in Höhe von 12.606,26 € gegen den Kläger zu. Diesen Betrag habe sie in den Monaten Juni bis August 2013 an Urlaubsvergütung an ihre Arbeitnehmer gezahlt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 10. April 2014 -10 Ca 52/14 - teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit sie zur Zahlung eines 3.218,15 € übersteigenden Betrags verurteilt wurde.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger ist der Ansicht, die Berufung sei unbegründet und verweist auf die Beitragsrückstände der Beklagten vom 22. August 2014 in Höhe von 372.668,70 €, denen nur Erstattungsansprüche in Höhe von 192.165,17 € gegenüberstehen würden.
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf deren Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift vom 18. Februar 2015 verwiesen (Bl. 46 d.A.).
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 06. Februar 2013 ist zulässig gem. §§ 64 Abs. 2 b), 8 Abs. 2 ArbGG. Sie ist gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig begründet worden.
Die Berufung ist zulässig, da die Beklagte ein Erlöschen der Beitragsforderung durch Aufrechnung gem. § 398 BGB geltend gemacht hat.
Die Berufung ist jedoch unbegründet, da nach § 18 Abs. 5 Satz 2 VTV vom 18. November 2009 in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 21. Dezember 2011 die Aufrechnung wirksam ausgeschlossen war. Die Beklagte hat den Restbetrag der Beitragsforderung in Höhe von 12.606,26 € an den Kläger zu entrichten.
Nach der seit 01. Juli 2013 geltenden Neufassung des VTV vom 03. Mai 2013 gilt das Aufrechnungsverbot gem. § 15 Abs. 5 S. 2 VTV nF fort. Die Beklagte hat daher auch keinen Anspruch auf Saldierung der Klageforderung gegen Erstattungsansprüche nach § 18 Abs. 2 Satz 1 VTV nF in Höhe von 12.606,26 €, da sie Beitragsrückstände hat. Dies folgt aus der vom Kläger vorgelegten Kontenübersicht zum 22. August ...