Entscheidungsstichwort (Thema)

Bildungsurlaub: Berufliche Weiterbildung. Computer-Kurs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 1 Absatz 4 HBUG ist jedenfalls regelmäßig abzustellen auf die vorhandene persönliche berufliche Qualifikation.

2. Soweit § 1 Absatz 4 HBUG bei der beruflichen Weiterbildung zugleich eine Komponente politischer Bildung fordert, wird der Zeitanteil zwischen 1/3 und 20 % zu liegen haben.

3. Das erforderliche Mindestmaß an greifbaren Vorteilen für den Arbeitgeber kann sich, wenn es im konkreten Fall nicht aus der eigentlichen beruflichen Weiterbildung abzuleiten ist, auch aus der in § 1 Absatz 4 HBUG angesprochenen Komponente politischer Bildung ergeben.

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Urteil vom 13.06.1996; Aktenzeichen 4 Ca 43/96)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen des Urteil des Arbeitegericht Kassel vom 13. Juni 1996 – 4 Ca 43/96 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

In der Sache streiten die Parteien darum, ob eine vom Kläger besuchte Veranstaltung als Veranstaltung im Sinne des Hessischen Bildungsurlaubsgesetzes (HBUG) zu werten ist.

Der Kläger, der am 29. Juni 1995 seine Prüfung als bestanden hat (Kopie des Zeugnisses Blatt 81 d.A), ist bei der Beklagten als … beschäftigt.

Er beantragte die Bewilligung von Bildungsurlaub zum Zwecke der Teilnahme an der Veranstaltung „Büroarbeit unter den Bedingungen automatisierter Datenverarbeitung am Beispiel von ‚Word für Windows’ und ‚Excel’” (bzw. „EDV – ‚Word für Windows’ und ‚Excel’” – beide Bezeichnungen erscheinen) in der Zeit vom 28. August bis zum 01. September 1995. Die Veranstaltung wurde in Hofgeismar durchgeführt, sie war als Bildungsurlaubsveranstaltung vom Hessischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozialordnung anerkannt worden (Bescheid vom 03. Juli 1995, Az.: II A 3-55n-4145-b-95-E-0000-0212). Veranstalter war die Volkshochschule des Landkreises Kassel.

Für den Inhalt des Programms der Veranstaltung wird Bezug genommen auf die vom Kläger zu den Gerichtsakten gereichte Fotokopie des Wochenplanes (Blatt 20 bis 21 d.A.)

Unter dem 08. August 1995 (Kopie des Schreibens Blatt 10/11 d.A., hierauf wird Bezug genommen) lehnte die Beklagte die bezahlte Freistellung nach dem HBUG mit der Begründung ab, daß sie nicht feststellen könne, daß es sich um politische oder berufliche Weiterbildung handele, es handele sich vielmehr um eine Veranstaltung, die der persönlichen Bildung bzw. Entwicklung diene. Der Kläger wandte sich darauf mit einem „Widerspruch” vom 14. August 1995 (Kopie Blatt 12 d.A.) an die Beklagte, den diese unter dem 17. August 1995 erneut abschlägig beantwortete (für den Wortlaut des Antwortschreibens vgl. die Kopie Blatt 14/15 d.A.).

Dem Kläger wurde dann für die Zeit vom 28. August bis zum 01. September 1995 unbezahlter Sonderurlaub gewährt (auf seinen Antrag vom 14. August 1995 hin, mit dem er aber gleichzeitig deutlich gemacht hatte, daß er bei rechtskräftiger Bestätigung seiner Rechtsauffassung die Zeit dann nachträglich wie Arbeitszeit vergütet haben möchte), und er nahm an der genannten Veranstaltung teil.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug die Ansicht vertreten, die fragliche Veranstaltung stelle sich als Bildungsurlaubsveranstaltung im Sinne des HBUG dar, da es sich um die Vermittlung einer sog. Schlüsselqualifikation gehandelt habe, wobei auch ein mittelbar für die Berufsausübung verwendbares Sachwissen vermittelt worden sei. Dies ergebe sich daraus, daß im gärtnerischen Bereich zunehmend mit EDV-Programmen (etwa: Data-Flor) gearbeitet werde. Es habe sich um eine Veranstaltung im Sinne des § 1 Absatz 3 und 4 HBUG gehandelt.

Er hat dementsprechend im ersten Rechtszug beantragt, festzustellen, daß dem Kläger für die Zeit vom 28. August bis 01. September 1995 bezahlter Weiterbildungsurlaub nach dem Hessischen Gesetz über den Anspruch auf Bildungsurlaub zugestanden hat.

Demgegenüber hat die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat insbesondere die Ansicht vertreten, insgesamt lasse sich eine Einordnung der von dem Kläger besuchten Veranstaltung als einer Veranstaltung nach dem HBUG nicht vertreten. Es habe sich zunächst nicht um eine Veranstaltung politischer Bildung gehandelt. Soweit man bezüglich beruflicher Weiterbildung die Vermittlung von Computerkenntnissen als Vermittlung einer sog. Schlüsselqualifikation ansehen wolle, fehle es auf jeden Fall an einem auch nur gering einzuschätzenden Vorteil für sie als Arbeitgeberin. Der Kläger könne die erlernten Computerkenntnisse in seinem Beruf nicht verwenden, auch ein etwaiger künftiger Nutzen sei nicht ersichtlich. Die Veranstaltung habe vielmehr der persönlichen Entwicklung und Bildung des Klägers gedient.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 13. Juni 1996 (Blatt 36 bis 43 d.A.) der Klage stattgegeben, die Kosten der Beklagten auferlegt und den Wert des Streitgegenstandes auf DM 888,– festgesetzt. Auf dieses Urteil wird ergänzend hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes und bezüglich der Einzelheiten der Entscheidungsgründe Bezug genommen. Das Ar...

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