Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG wegen Nichtberücksichtigung einer Bewerbung auf ein Stellenangebot
Leitsatz (redaktionell)
1. In der Nichteinladung eines Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch liegt eine weniger günstige Behandlung i.S. von § 3 Abs. 1 AGG, weil damit die Chance auf Einstellung versagt wird.
2. Für einen schlüssigen Klagevortrag reicht es nicht aus, wenn die Partei, die sich auf eine Benachteiligung beruft, im Prozess lediglich vorträgt, sie erfülle ein Merkmal gem. § 1 AGG, und wegen dieses Merkmals habe sie eine ungünstigere Behandlung als eine andere Person erfahren. Vielmehr ist den Anforderungen an die Darlegungslast hinsichtlich der Kausalität der Benachteiligung nur dann genügt, wenn der Bewerber Indizien vorträgt, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen.
3. Die Anforderung "sehr gute englische Sprachkenntnisse" ist nicht aus diskriminierenden Motiven heraus aufgestellt, wenn der Bewerber in internationalen Kundenunternehmen als Programmierer eingesetzt werden soll.
4. Die Formulierung, dass es sich um ein "dynamisches fachliches Umfeld" handelt, lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass sich die Ausschreibung lediglich an jüngere Bewerberinnen oder Bewerber richtet.
Normenkette
AGG §§ 15, 1, 7; ArbGG § 11 Abs. 4; ZPO § 78
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 18.09.2013; Aktenzeichen 16 Ca 1599/13) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. September 2013 - 16 Ca 1599/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Entschädigung wegen Benachteiligung bei einer Stellenbewerbung.
Die Beklagte ist Anbieter von kartengestützten Zahlungslösungen und individuellen Kundenbindungsprogrammen. Sie hat einen französischen Mutterkonzern. Die Altersstruktur der im Betrieb der Beklagten Beschäftigten rangiert zwischen den Geburtsjahrgängen 1952 bis 1987. Sie beschäftigt Menschen aus vielen Nationen - zB. aus Indien, Kroatien, Iran, Portugal etc.. Bis zum Jahr 2010 beschäftigte die Beklagte einen Mitarbeiter, der in Russland geboren wurde.
Die am 7. September 1961 im heutigen Russland geborene Klägerin absolvierte dort ein Studium und schloss dieses mit der Qualifikation einer Systemtechnik-Ingenieurin ab. Ihr wurde durch das Land Schleswig-Holstein die Gleichwertigkeit dieses Studiums mit einem an einer Fachhochschule in der Bundesrepublik Deutschland durch Diplomprüfung abgeschlossenen Studium der Fachrichtung Informatik bescheinigt. De Klägerin bewarb sich bereits mehrfach erfolglos bei der Beklagten mindestens seit dem Jahr 2010.
Mit einer Stellenanzeige suchte die Beklagte "einen Softwareentwickler (m/w) Schwerpunkt Java" (Bl. 5 d.A.). Es heißt in der Stellenausschreibung ua.: "Sehr gute Englischkenntnisse runden Ihr Profil ab." Die Beklagte bot "eine fundierte Einarbeitung sowie eine eigenverantwortliche Tätigkeit in einem dynamischen fachlichen Umfeld." Die Klägerin bewarb sich am 15. Januar 2013 bei der Beklagten (Bl. 6 d.A.). In ihrem Bewerbungsschreiben führte sie ua. aus:
"Seit 1.04.2003 bin ich arbeitslos und bemühe mich um Erhaltung bzw. Entwicklung meiner Qualifikation. Mit diesem Zweck habe ich zu Hause selbständig Windows- und Internet-Anwendungsentwicklung mit J#.NET, Visual C++.Net, Visual C#.NET, ASP.NET erlernt."
Am 16. Januar 2013 fand mit der weiteren Stellenbewerberin A ein Bewerbungsgespräch statt. Am 24. Januar 2013 hörte die Beklagte den in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat zur beabsichtigten Einstellung dieser Bewerberin an (Bl. 123 d.A.). Der Betriebsrat stimmte der Einstellung am 29. Januar 2013 zu.
Am 4. Februar 2013 2006 erhielt die Klägerin folgende Absage von der Beklagten:
"Sehr geehrte Frau B,
herzlichen Dank für die Übersendung Ihrer Unterlagen und Ihr Interesse an unserem Unternehmen Leider müssen wir Ihnen heute mitteilen, dass wir die Stelle zwischenzeitlich besetzt haben. Wir hoffen, dass Sie auch künftig unsere Stellenanagebote verfolgen und sich so vielleicht ein erneuter Kontakt ergibt. Für Ihre berufliche Zukunft wünschen wir Ihnen viel Erfolg."
Mit ihrer Klage, die am 6. März 2013 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangen ist, begehrt die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von € 10.000,00 nebst Zinsen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und russischen Herkunft diskriminiert worden, indem sie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei. Sie hat behauptet, die Stelle sei zum Zeitpunkt der Absage noch nicht vergeben gewesen, denn die Stellenausschreibung sei am 5. Februar noch auf der Internetseite von C und am 18. Februar 2013 noch auf der Homepage der Beklagten der Niederlassung D ausgeschrieben gewesen, obwohl die Beklagte die Stellenausschreibung bei C selbst habe aus dem Internet nehmen können. Sie hat behauptet, aus...