Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilnahme eines Abbruchunternehmens am Sozialkassenverfahren in der Bauwirtschaft
Leitsatz (redaktionell)
§ 7 SokaSiG ist trotz der darin geregelten Rückwirkung verfassungsgemäß.
Orientierungssatz
Erfolglose Berufung gegen die ausgeurteilte Verpflichtung, Sozialkassenbeiträge für verschiedene Monate im Zeitraum 2010 und 2011 zu zahlen. Im Berufungsverfahren wurden nur noch Einwände gegen die Verfassungsmäßigkeit des SokaSiG vorgebracht. Hiesige Bezugnahme auf die Entscheidungen der 10. Kammer (10 Sa 907/16 vom 02. Juni 2017 und 10 Ta 524/16).
Normenkette
VTV-Bau; SokaSiG § 7
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 23.03.2016; Aktenzeichen 3 Ca 267/15) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 23. März 2016 - 3 Ca 267/15 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zahlungsverpflichtungen nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er hat nach den tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes, namentlich dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) und dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütungen zu sichern. Die hierzu erforderlichen Mittel haben die baugewerblichen Arbeitgeber durch Beiträge aufzubringen. Auf die Zahlung der Beiträge hat der Kläger einen unmittelbaren Anspruch. Die Beiträge, der Beitragseinzug sowie die Leistungen des Klägers sind im VTV geregelt.
Auf Grundlage des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 18. Dezember 2009 (VTV 2009) nimmt der Kläger den Beklagten auf Zahlung von Beiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer für den Monat Dezember 2010 sowie für die Monate Februar 2011 bis Dezember 2011 in Höhe von insgesamt 9.925,26 EUR in Anspruch. Die geltend gemachte Beitragssumme hat der Kläger auf Basis der von dem Beklagten gemeldeten Bruttolohnsummen und des tarifvertraglichen Beitragssatzes i.H.v. 19,8 % berechnet. Hinsichtlich der Höhe der Beiträge für die einzelnen Monate wird auf Blatt 20 und 21 der Akte verwiesen.
Der Beklagte ist nicht Mitglied in den tarifschließenden Verbänden des Baugewerbes. Auch besteht keine unmittelbare oder mittelbare Mitgliedschaft im Deutschen Abbruchverband e.V., im Fachverband Betonbohren und -sägen Deutschland e.V. oder im Abbruchverband Nord e.V.
Mit Schreiben vom 29. Juni 2009, hinsichtlich dessen auf Blatt 23 der Akte verwiesen wird, teilte der Beklagte dem Kläger unter seinem Briefkopf und seinem Firmenstempel "A" folgendes mit (Blatt 23 der Akte):
Betriebskontonummer XXX
Sehr geehrte Damen und Herren,
nachdem ich mich mit mehreren Abbruchunternehmen in Verbindung gesetzt habe, bin ich mir sehr sicher, dass Sie zu Unrecht Beiträge von mir verlangen.
Ich führe nur Abbruch- und Entkernarbeiten aus. Ich führe keine Hoch-, Tief- und Straßenarbeiten durch.
Mit freundlichem Gruß
Mit rechtskräftigem Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 16. Mai 2012 (3 Ca 875/11) ist der Beklagte zur Beitragszahlung für den Zeitraum Oktober 2009 bis November 2010 verurteilt worden.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei verpflichtet, am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe teilzunehmen. Er hat behauptet, die im Betrieb des Beklagten beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer hätten in den Kalenderjahren 2010 und 2011 zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit, die zusammengerechnet auch mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht hätte, folgende Tätigkeiten erbracht:
- Abbruch von Estrichen, Bodenplatten und Mauerwerk
- Entkernungsarbeiten durch Entfernung von Fliesen, Elektrokabeln, Lüftungskanälen, Abhangdecken, Trennwänden, Türen, Fenstern und Sanitärgegenständen etc.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 9.925,26 EUR zu zahlen.
Der Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und die Auffassung vertreten, sein Betrieb sei im streitgegenständlichen Zeitraum nicht dem Geltungsbereich der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe unterfallen, da Abbruch- und Entkernungsarbeiten nicht § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV unterfielen. Auch habe der Kläger seine Behauptungen zu den betrieblichen Tätigkeiten ins Blaue hinein aufgestellt. Der Beklagte hat die Höhe der Klageforderung bestritten, da diese für ihn nicht nachvollziehbar sei.
Im Übrigen wird hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts sowie des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug ergänzend auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils - Blatt 58 bis 59 der Akte - Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat der Klage mit Urteil vom 23. März 2016 auf Grundlage der §§ 18, 21 Abs. 1 VTV 200...