Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerentsendung. Fertigbauarbeiten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Bautarifverträge erstreckt sich seit der Bekanntmachung vom 17.01.2000 (BAnz Nr. 20 v. 29.01.2000) nicht auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, die in der Bundesrepublik Deutschland Fertigbauarbeiten durchführen. Derartige Arbeitgeber sind hinsichtlich ihrer aus dem Ausland nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer nicht zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen verpflichtet.
2. Fertigbauarbeiten iSd vorgenannten Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Bautarifverträge liegen vor, wenn serienmäßig hergestellte vorgefertigte Einzelelemente aus Stahl (Stützen, Wand- und Deckenplatten) an der jeweiligen Baustelle durch Verschrauben und Verschweißen zu kompletten Lagerhallen zusammengefügt werden.
Normenkette
AEntG § 1; TVG § 5; VTV/Bau § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 10.12.2002; Aktenzeichen 8 Ca 97/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 10. Dezember 2002 – 8 Ca 97/01 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes für den Zeitraum Januar 2000 bis Juni 2001 und August 2001 bis Mai 2002.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV/Bau); Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV)) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütungen zu sichern. Die dazu erforderlichen Mittel haben die baugewerblichen Arbeitgeber durch Beiträge aufzubringen. Auf die Zahlung dieser Beiträge hat der Kläger einen unmittelbaren Anspruch.
Die Beklagte ist eine Gesellschaft ungarischen Rechts mit Sitz in …. In Deutschland unterhält sie eine unselbständige Niederlassung. In den Kalenderjahren des Klagezeitraums errichtete sie durch aus Ungarn in die Bundesrepublik Deutschland entsandte und zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassene Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Werkverträgen mit deutschen Unternehmen Lagerhallen aus Stahl in unterschiedlichen Größen. Dabei wurden von anderen Unternehmen vorgefertigte Elemente, insbesondere vorgefertigte Großtafeln nebst Trägern und Stützen ohne jede Veränderung am jeweiligen Aufstellungsort durch Verschrauben und/oder Verschweißen zu einer Stahlkonstruktion zusammengefügt, anschließend wurden die Wände und das Dach mit Trapezblechen und Wandkassetten verkleidet. Gleichartige Arbeiten führt die Beklagte in ihrem Heimatland durch.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte unterhalte einen baugewerblichen Betrieb im Sinne der für allgemeinverbindlich erklärten Bautarifverträge und sei deshalb verpflichtet, für ihre in die Bundesrepublik Deutschland entsandten Arbeitnehmer Urlaubskassenbeiträge zu zahlen. Bei den Tätigkeiten der Beklagten handele es sich um Trockenbau- und Montagebauarbeiten und nicht etwa um Fertigbauarbeiten, so dass Einschränkungen der Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) nicht zugunsten der Beklagten eingriffen. Die Höhe der Klageforderung errechne sich aus den Meldungen der Beklagten gegenüber den Landesarbeitsämtern bzw. aus den Prüfberichten der Dienststellen der Zoll- und Arbeitsverwaltung, denen die jeweilige Entsendedauer der in die Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer zu entnehmen sei, ferner aus der tarifvertraglichen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit, dem tarifvertraglichen Mindestlohn sowie dem tariflichen Beitragssatz für Urlaubskassenbeiträge.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 62.066,07 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, sie schulde dem Kläger schon deshalb keine Beitragszahlungen, weil es sich bei den von ihr sowohl in der Bundesrepublik Deutschland wie auch in Ungarn durchgeführten Arbeiten um Fertigbauarbeiten handele, deren Ausführung durch Unternehmen mit Sitz im Ausland von der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Bautarifverträge ausgenommen worden sei. Im Übrigen sei auch die Berechnung der Beitragshöhe fehlerhaft. Diese könne der Kläger nicht allein anhand der Meldungen gegenüber dem Landesarbeitsamt errechnen. Zudem seien die Bautarifverträge auch deshalb nicht anzuwenden, weil ausländische Arbeitnehmer, wie ihre, während ihrer Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland den Arbeitgeber nicht wechselten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit seinem am 10.12.2002 verkündeten Urteil stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 314–319 d.A...