Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit von Ausschlussfristen in Formulararbeitsverträgen. Rechtsfolgen teilweiser Unwirksamkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. In Formulararbeitsverträgen vereinbarte Ausschlussfristen stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. von § 305 Abs. 1 S. 1 u. 2 BGB dar.
2. Um den Arbeitnehmer nicht i.S.von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen zu benachteiligen, muss die Mindestfrist für die Geltendmachung gegenüber dem Arbeitgeber (1. Stufe) oder dem Gericht (2. Stufe) jeweils mindestens drei Monate betragen.
3. Handelt es sich um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG - 7 AZR 672/10 - 19.10.2011; BAG - 10 AZR 152/07 - 12.03.2008; BAG - 5 AZR 52/05 - 28.09.2005).
4. Die teilweise Unwirksamkeit einer teilbaren Klausel (hier: Geltendmachung von Zuschlägen aller Art spätestens innerhalb von vier Wochen nach Abrechnung) führt nicht zur Unwirksamkeit der gesamten geregelten ersten Stufe der Ausschlussfrist. Ist eine Regelung bezüglich der Geltendmachung bestimmter Ansprüche unwirksam, so berührt dies grundsätzlich nicht die Wirksamkeit einer Regelung über die Geltendmachung von diesen verschiedenen Ansprüchen.
Orientierungssatz
Teilbare, teilunwirksame Ausschlussfrist.
Abweichung von 12 Sa 1015/12 Hesssiches LAG.
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1 S. 1; AÜG § 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Entscheidung vom 25.01.2013; Aktenzeichen 10 Ca 119/11) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Gießen vom 25. Januar 2013 - 10 Ca 119/11 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 904,89 EUR (in Worten: Neunhundertvier und 89/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07. März 2011 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über den Betrag von 904,89 EUR eine Lohnabrechnung zu erteilen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat der Kläger 90% und die Beklagte 10% zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 85% und die Beklagte 15% zu zahlen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des Equal Pay.
Der Kläger ist seit 05. März 1998 bei der Beklagten als Putzer von Gussteilen überwiegend im Wege der Arbeitnehmerüberlassung für die Firma A tätig. Zwischen den Parteien galt auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 01. Januar 1999 (Anlage K 1, Blatt 5 bis 7 d. A.) kein Tarifvertrag. Im nachfolgend abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 29. Januar 2010 (vgl. Anlage K 2, Blatt 8 bis 16 d. A.) sind die Tarifverträge des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmer in ihrer jeweils gültigen Fassung in Bezug genommen.
Der Kläger begehrte mit vorprozessualem Schreiben vom 20. August 2010 (vgl. Anlage K 5 Blatt 19, 20 d. A.) von der Beklagten für den Zeitraum von Januar 2007 bis August 2010 sowie zukünftig die Lohnansprüche gemäß dem Lohnrahmentarifvertrag für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen abzurechnen und auszugleichen. Die Beklagte kam der Aufforderung des Klägers innerhalb der in diesem Schreiben gesetzten Frist (10. September 2010) nicht nach. Der Kläger erhob daraufhin mit Klageschrift, eingegangen beim Arbeitsgericht am 02. März 2011 und der Beklagten am 07. März 2011 zugestellt, Klage wie folgt:
1. die Beklagte zu verurteilen, die Lohnabrechnungen Januar 2008 bis Januar 2011 unter Berücksichtigung des Lohnrahmentarifvertrages für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen neu zu erstellen;
2. die Beklagte zu verurteilen, die sich aus den neu erstellten Abrechnungen ergebenden Brutto- und Nettobeträge einerseits gegenüber den Sozialleistungsträgern abzurechnen und dorthin die entsprechenden Nachzahlungen zu leisten und andererseits an den Kläger die sich aus der Abrechnung ergebenden Nettovergütungsbeträge abzüglich der bisher geleisteten Zahlungen zu erbringen;
3. die Beklagte zu verurteilen, zukünftig die Lohnansprüche gemäß des Lohnrahmentarifvertrages für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen abzurechnen und auszugleichen.
Die Beklagte hat sich zunächst darauf berufen, dass die Klage des Klägers unzulässig sei. Die Beklagte hat in Weiteren gemeint, dass die Ansprüche des Klägers im Sinne der vertraglich vereinbarten Ausschlussfrist erloschen seien.
In § 11 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 01. Januar 1999 ist insoweit geregelt:
§ 11 Ausschlussfrist
(1) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen wie folgt geltend gemacht werden:
Ansprüche auf Zuschläge aller Art sofort, spätestens innerhalb von 4 Wochen nach Abrechnung des Zeitraums, bei dem sie hätten abgerechnet werden müssen; alle übrigen beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit.
(2)...