Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubskassensystem der Bauwirtschaft. Fiktion einer selbständigen Betriebsabteilung. Zusammenhangstätigkeit zu baufremden Tätigkeiten. Zur Geltung in Entsendefällen
Leitsatz (amtlich)
Bei Prüfung der Voraussetzungen für die Fiktion einer selbständigen Betriebsabteilung iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV ist - im Sinne eines negativen Tatbestandsmerkmals - auszuschließen, dass es sich um eine Zusammenhangstätigkeit zu baufremden Tätigkeiten handelt. Dies gilt auch in Entsendefällen.
Normenkette
VTV § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 S. 3; AEntG § 18
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 31.01.2014; Aktenzeichen 9 Ca 2365/11) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 31. Januar 2013 - 9 Ca 2365/11 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten, einer A AG, für die Zeit von Januar 2008 bis März 2012 Mindestbeiträge zum Urlaubskassensystem der Bauwirtschaft.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe [BRTV-Bau], Tarifvertrag für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe [VTV]) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütungen zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft nach A Recht mit Sitz in B, A. Sie stellt am Unternehmenssitz Container, Raummodule und Behältnisse für das Transportwesen her (vgl. Auszug aus dem Firmenprospekt der Beklagten als Anlage K 5 zum Schriftsatz des Klägers vom 14. Mai 2012, Bl. 70-77 d.A). Soweit die Beklagte Raum- und Containerelemente herstellt und vertreibt, bietet sie ihren Kunden auch die Aufstellung der Elemente und Container vor Ort an.
In den Jahren 2008 bis 2012 entsandte die Beklagte gewerbliche Arbeitnehmer nach Deutschland, welche von ihr hergestellte und vertriebene Raummodule und Container errichteten. Die Beklagte beantragte für diese Arbeitnehmer Arbeitsgenehmigungen-EU und meldete sie bei der Zollverwaltung an (nach § 3 AEntG aF [bis 23. April 2009] bzw. § 18 AEntG nF [ab 24. April 2009]). Sie gab gegenüber dem Kläger keine Meldungen ab und zahlte keine Beiträge.
In einem Schreiben an den Kläger teilte die Beklagte mit Datum vom 20. September 2009 auszugsweise mit (Anlage K 4 zum Schriftsatz des Klägers vom 14. Mai 2012, Bl. 68 d.A):
"Unsere Firma ist Containerhersteller und wir liefern die Container ohne oder mit der Montage nach Deutschland.
Im Falle der Montage entsenden wir unsere Monteure die Container zu montieren.
Es handelt sich um einzelne Container, die von 95% im Werk B/A komplett fertiggestellt sind.
Auf der Baustelle werden nur die Tätigkeiten für Betriebsfähigkeit der Anlage durchgeführt - d.h. z.B.:
- Containerkopplung inkl. Nivelisierung auf die Fundamenten, die bauseits vom Bauherr vorbereitet sind.
- Abdichtung der Containerstössen (Dach und Boden) gegen Wasser
- Elektrodurchverbindung
- Bodenbelagverbindung
- Türen- und Fenstereinstellung
- Glättung der Verbindungswände
- Elektroprüfkontrolle
- Verbesserung ev. Farbschädungen an der Außenfassade (beim Transport und bei der Manipulation)"
Der Kläger hat die Beklagte mit am 02. November 2011 bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangener Klage, die teilweise zurückgenommen und teilweise erweitert wurde, auf Mindestbeiträge für den Zeitraum Januar 2008 bis März 2012 in Höhe von zuletzt 57.101,17 € in Anspruch genommen. Die Klage wurde der Beklagten am 09. November 2011, die Klageerweiterung am 24. Mai 2012 zugestellt. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Errichtung und Montage von Raummodulen sei eine Tätigkeit iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 und 37 VTV und nach § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Bei den nach Deutschland entsandten Arbeitnehmern handele es sich um eine Gesamtheit von Arbeitnehmern gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 S. 3 VTV, unabhängig von den im Heimatland ausgeführten Arbeiten, auch wenn sich diese überwiegend auf die Herstellung bzw. Vorfertigung der später in Deutschland aufgestellten Container beziehen würden. Zur Wiedergabe der Berechnung der Beitragsforderungen durch den Kläger wird nach § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 57.101,17 € nebst Zinsen aus 39.237,15 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und aus 17.864,02 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (der Klageerweiterung) zu zahl...