Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung von Arbeitsverträgen im öffentlichen Dienst

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der neueren Rechtsprechung des Siebten Senats des BAG, wonach mehrere aneinandergereihte Zeitverträge insgesamt und ohne Rücksicht auf den jeweils maßgeblichen Befristungssachgrund die in Protokollnotiz 2 zu Nr. 1 der SR 2 y zum BAT für den Abschluß eines Zeitvertrages vorgeschriebene Höchstdauer von fünf Jahren überschreiten dürfen (BAG, Urt. v. 22.03.1985 – 7 AZR 487/84 – AP Nr. 89 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag (unter III 2 d bb d.Gr.)), wird nicht gefolgt.

2. Wenig überzeugend ist insoweit zunächst der Hinweis des Siebten Senats auf seine nunmehr „alleinige Zuständigkeit” im Verhältnis zum Zweiten Senat, weil seine Rechtsprechung auch von Entscheidungen des Vierten und Sechsten Senats des BAG abweicht.

3. Die Protokollnotiz 2 (Satz 1) zu Nr. 1 SR 2 y zum BAT trägt nicht nur mehr oder minder großen Prognose-Problemen des öffentlichen Arbeitgebers zur Befristungsdauer Rechnung; sie hat auch einen arbeitnehmerschützenden Zweck.

4. Bei Vorliegen einer Zeitvertrags- „Kette” („gleicher oder „gleichartiger Sachgrund”) darf die tarifliche Fünf-Jahres-Grenze mit einer weiteren Zeitbefristung nicht überschritten werden, weil die Protokollnotiz 2 (Satz 1) zu Nr. 1 SR 2 y zum BAT insoweit analog gilt.

5. Zur fehlenden Passivlegitimation des beklagten Landes bei aneinandergereihten Privatdienstverträgen mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter.

 

Normenkette

BGB § 620

 

Verfahrensgang

ArbG Marburg (Urteil vom 22.10.1985; Aktenzeichen 1 Ca 450/85)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 22.10.1985 – 1 Ca 450/85 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein über den 31.10.1985 hinaus unbefristet fortbestehendes Arbeitsverhältnis besteht, hilfsweise: ob das beklagte Land verpflichtet ist, mit dem Kläger ab rechtskräftiger Entscheidung im vorliegenden Verfahren einen wissenschaftlichen Mitarbeiter-Arbeitsvertrag abzuschließen und ferner über die Verpflichtung des beklagten Landes, den Kläger ab Zustellung des Berufungsurteils als wissenschaftlichen Mitarbeiter weiterzubeschäftigen.

Der Kläger war in der Zeit vom 1.5.1971 zunächst als wissenschaftliche Hilfskraft ohne Abschluß bis zum 31.3.1976 im Forschungsinstitut für Deutsche Sprache – Deutscher Sprachatlas (im Fachbereich „Allgemeine und Germanische Linguistik und Philologie”) tätig. In der Zeit vom 1.9. bis 31.12.1977 arbeitete er dort als wissenschaftliche Hilfskraft mit Abschluß (Bl. 149 d.A.), erhielt dann für die Zeit vom 1.1. bis 31.1.1978 einen Privatdienstvertrag bei Prof. Dr. P. und sodann vom 1.2. bis 28.2.1978 wieder einen entsprechenden Landesvertrag. In der Zeit vom 1.3.1978 bis zum 28.2.1979 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter, der aus Mitteln einer vakanten Professur auf längstens 1 Jahr bezahlt wurde, angestellt und beim o.a. Forschungsinstitut in der von Prof. Dr. Putschke geleiteten Abteilung „Linguistische Informatik” tätig (Bl. 13, 14, 149 d.A.).

Da ein von Prof. Dr. P. beantragtes DFG-Projekt für eine Anschlußbeschäftigung nicht rechtzeitig bewilligt wurde, meldete sich der Kläger arbeitslos (Bl. 73, 74 d.A.), arbeitete aber (ohne Bezahlung) weiter im Institut mit bis zum 31.5.1979.

In der Zeit vom 1.6.1979 bis zum 31.10, 1985 schlossen der Kläger und Prof. Dr. P. mit folgender zeitlicher Verteilung Privatdienstverträge über eine Anstellung des Klägers als wissenschaftlicher Angestellter mit Vergütung nach Verg.Gr. II a BAT (Finanzierung aus DFG-Mitteln), wobei die P. -Universität M. jeweils die personalverwaltungstechnische Abwicklung (Gehaltszahlung aus Verwahrkonto, teilw. Personalaktenführung, Abführung von Sozialversicherungs- und VBL-Beiträgen aus Verwahrkonto, Ausgabe von über Verwahrkonto abgerechneten Essensmarken usw.) übernahm:

  • 1.6.1979 – 31.5.1981 (Bl. 15 d.A.)
  • 1.6.1981 – 30.6.1981 (Bl. 17 d.A.)
  • 1.6.1981 (richtig wohl: 1.7.1981)
  • 31.5.1982 (Bl. 19 d.A.)
  • 1.6.1982 – 31.5.1983 (Bl. 21 d.A.)
  • 1.6.1983 – 31.7.1983 (Bl. 23 d.A.)
  • 1.8.1983 – 31.12.1983 (Bl. 25 d.A.)
  • 1.1.1984 – 31.1.1984 (Bl. 27 d.A.)
  • 1.2.1984 – 29.2.1984 (Bl. 29 d.A.)
  • 1.3.1984 – 31.3.1984 (Bl. 31 d.A.)
  • 10.4.1984 – 31.10.1985 (Bl. 33 d.A.).

Im Vordruck des letzten Vertrages – wie auch in den für die zeitlich vorangehenden Verträgen benutzten Vordrucken – findet sich unter § 1 Abs. 3 die Festlegung, die „Abwicklung der Vergütungszahlungen” erfolge „in Amtshilfe” durch die Universitätsverwaltung. Ein Vertrags Verhältnis zum beklagten Land entstehe dadurch nicht (Bl. 33, 31, 29, 27, 25, 23 d.A.).

Im Rahmen dieser Verträge befaßte sich der Kläger mit der EDV–mäßigen Bearbeitung von sprachwissenschaftlich-dialektologischen Daten, die für den sog. Kleinen Deutschen Sprachatlas (KDSA) in computergestützt erstellten Dialekt- und Sprachgebietskarten umgesetzt werden sollten (Bl. 47, 51, 52 d.A.).

Die Publikation eines ersten Kartenbandes mit 115 Sprach- ...

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