Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsverfassungsrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch. Entfallen nach Annahme der Änderungskündigung durch den Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
Auch wenn der Arbeitnehmer das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen aufgrund einer nach Ausspruch einer Beendigungskündigung erklärten Änderungskündigung annimmt, entfällt dadurch der aus dem Widerspruch des Betriebsrats gegen die Beendigungskündigung resultierende betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsanspruch.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 25.01.2012; Aktenzeichen 22 Ga 215/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Januar 2012 - 22 Ga 215/11 - abgeändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Verfügungskläger zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Weiterbeschäftigung des Verfügungsklägers (im Folgenden: Kläger) gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG.
Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) ist eine Bank. In ihrem Betrieb in A sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer außer den zu ihrer Berufsbildung beschäftigt. Es ist ein Betriebsrat gewählt, im Unternehmen ist ein Gesamtbetriebsrat gebildet. Mit diesem schloss die Beklagte anlässlich der Verlagerung von Financial Markets-Funktionen von A nach B am 8. Juni 2011 eine Gesamtbetriebsvereinbarung (Anlage AG2 im Anlagenband).
Der Kläger ist am 19. September 1962 geboren, verheiratet und hat drei Kinder. Er ist jedenfalls seit dem 1. Mai 2003 bei der Beklagten beschäftigt. Zuletzt war er als Senior Händler in der Abteilung Treasury Kundenhandel beschäftigt. Die Bruttomonatsvergütung des Klägers betrug zuletzt circa 31.000,00.
Mit Schreiben vom 21. Juni 2011 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten Beendigungskündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an (Anlage AG11 im Anlagenband).
Mit Schreiben vom 28. Juni 2011 widersprach der Betriebsrat der beabsichtigen Kündigung des Klägers. Wegen der Einzelheiten und des genauen Inhalts des Schreibens des Betriebsrats wird auf Blatt 12, 13 der Akten Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 29. Juni 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. Dezember 2011 (Bl. 11 d.A.). Gegen diese Kündigung hat der Kläger mit der Klageschrift vom 11. Juli 2011 Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main erhoben.
Mit Schreiben vom 29. September 2011 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger eine "vorsorgliche Änderungskündigung" zum 31. März 2012 (Bl. 14, 15 d.A.). Sie hat ihm darin eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in B als Händler in der Abteilung TR TBS angeboten. Sie erklärte darin, sie werde den Kläger, wenn er das Angebot annehme, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der Beendigungskündigung vom 29. Juni 2011 "im Rahmen eines Prozessrechtsverhältnisses beschäftigen". Zu dieser Änderungskündigung hatte der Betriebsrat eine Stellungnahme nicht abgegeben. Das Änderungsangebot hat der Kläger unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen angenommen. Er hat seine Klage um einen Änderungskündigungsschutzantrag erweitert.
In diesem Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main - 22 Ca 4514/11 - hat der Kläger neben den gegen die Kündigungen gerichteten Feststellungsanträgen zu 3. beantragt
"die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den vertraglichen Arbeitsbedingungen als Senior Händler in der Abteilung Treasury Kundenhandel am Standort A weiterzubeschäftigen".
Er hat zu 4. beantragt:
"der Beklagten aufzugeben, dem Kläger am Standort A einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und ihm Zugang zu dem System Bloomberg, dem Buchungssystem Kondor und den Programmen Eurex und Xetra zu verschaffen."
Hilfsweise dazu hat er in diesem Verfahren beantragt,
"die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum 31. März 2012 unter Zurverfügungstellung eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes und Zugangverschaffung zu dem System Bloomberg, dem Buchungssystem Kondor und den Programmen Xetra und Eurex als Senior Händler in der Abteilung Treasury Kundenhandel am Standort A zu beschäftigen und ab 1. April 2012 den Kläger als Händler in der Einheit TR ZBS am Standort B zu beschäftigen."
Mit einer E-Mail vom 28. November 2011 teilte die Personalleiterin der Beklagten mit, dass er in der Zeit vom 31. Dezember 2011 bis zum 31. März 2012 nicht beschäftigt werde (Bl. 16 d.A.).
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 2. Dezember 2011 verlangte der Kläger von der Beklagten Weiterbeschäftigung über den 31. Dezember 2011 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits (Bl. 17, 18 d.A.).
Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2011, der am selben Tag per Telefax bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangen ist, hat der Kläger das einstweilige Verfügungsverfahren eingel...