Entscheidungsstichwort (Thema)
Nebentätigkeit. Direktionsrecht
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber kann die Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung verweigern, wenn die angestrebte Nebentätigkeit zwingend die Änderung des Arbeitsvertrages dahin erfordert, dass der Arbeitnehmer völlig frei über Arbeitszeit und Arbeitsumfang disponieren kann.
Normenkette
GG Art. 12; BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 25.07.2002; Aktenzeichen 4 Ca 3428/01) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 25. Juli 2002 – 4 Ca 3428/01 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte ist ein Versicherungsunternehmen. Die Klägerin ist Volljuristin und war seit 01. Januar 2000 zunächst befristet bei der Beklagten tätig. Seit dem 01. Juni 2001 arbeitet die Klägerin im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses in der Abteilung Haftpflichtschaden als Kundenbetreuerin.
Im Betrieb der Beklagten gilt eine Betriebsvereinbarung zur Einführung eines flexiblen und umfassenden Arbeitszeitsystems (Bl. 22–28 d.A.). Diese regelt, soweit hier von Interesse, dass ein Arbeitnehmer innerhalb der werktäglichen Arbeitszeit von 8.30 Uhr bis 16.30 Uhr, seit 01. Juli 2003 von 6.30 Uhr bis 18.30 Uhr, über die geschuldete Arbeitszeit frei disponieren kann, solange er sich in einem Zeitrahmen von minus 40 bis plus 40 Stunden bewegt. Servicebereitschaften können in Absprache mit dem Team frei vereinbart werden. Nach einer Neuregelung im September 2002 kommt auf die Klägerin dabei höchstens zweimal pro Monat ein Bereitschaftsdienst zu.
Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 17. Mai 2001 (Bl. 14–17 d.A.) enthält u.a. folgende Regelung:
§ 12 Nebentätigkeit
Sie sind verpflichtet, Ihre Arbeitskraft uneingeschränkt für den Arbeitgeber einzusetzen. Jede auf Erwerb gerichtete Nebentätigkeit ist nur mit vorheriger Genehmigung des Arbeitgebers gestattet. Dies gilt auch für den Eintritt in den Aufsichtsrat oder ein ähnliches Organ anderer Gesellschaften oder Körperschaften.
Die Beklagte erteilte der Klägerin auf deren Antrag mit Schreiben vom 17. August 2001 eine Nebentätigkeitsgenehmigung für die Zulassung als Rechtsanwältin mit folgendem Wortlaut:
Nebenbeschäftigung
Sehr geehrte Frau Moeskes,
Sie haben die Genehmigung folgender Nebenbeschäftigung „Rechtsanwaltstätigkeit” – beantragt. Diese Genehmigung erteilen wir Ihnen ab sofort.
Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir uns vorbehalten, die Genehmigung zurückzuziehen, wenn sich Ihre Nebentätigkeit nachteilig auf Ihre Arbeitsleistung bei unserer Gesellschaft auswirkt.
Für die Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft forderte die Rechtsanwaltskammer u.a. die Vorlage einer vom Arbeitgeber ausgestellten „Freistellungserklärung” wie sie im Klageantrag wiedergegeben ist. Deren Abgabe verweigert die Beklagte.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, diese Freistellung zu erklären und damit zum Gegenstand des Arbeitsvertrages zu machen. Es bestünden keine berechtigten Interessen auf Seiten der Beklagten, ihr die Ausübung der Nebentätigkeit zu verweigern, was mit der Nichterteilung der Freistellungserklärung zwingend verbunden sei. Aufgrund des in der Betriebsvereinbarung geregelten flexiblen Arbeitszeitsystems mit der Möglichkeit der eigenverantwortlichen Gestaltung der Arbeitszeit komme es nicht zu zeitlichen Überschneidungen der Haupttätigkeit und ihrer beabsichtigten Nebentätigkeit als Rechtsanwältin, die sie ebenfalls flexibel einteilen könne. Auch eine inhaltliche Überschneidung, so hat die Klägerin weiter vorgetragen, sei zwischen ihrer Haupttätigkeit und der gewünschten Nebentätigkeit ausgeschlossen. Sie wolle weder Gerichtstermine noch Außentermine für die Beklagte wahrnehmen; ihr obläge auch keine Rechtsberatung. Eine Konkurrenztätigkeit sei daher nicht zu erwarten. Nach Meinung der Klägerin im ersten Rechtszug ergebe sich ein Anspruch auf Erteilung der Freistellungserklärung auch unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Den Arbeitnehmern B., M. und S. seien Nebentätigkeitsgenehmigungen und Freistellungserklärungen erteilt worden. Auch diese seien Kundenbetreuer wie sie. Soweit sich die Beklagte auf zusätzliche Voraussetzungen berufe, die im Rahmen eines Vorstandsbeschlusses für die Erteilung von Nebentätigkeitsgenehmigungen und Freistellungserklärungen aufgestellt worden seien, erwiesen sich die dort enthaltenen Voraussetzungen als rechtswidrig und daher nicht geeignet, einen sachlichen Grund für eine Differenzierung zu bieten. Ein Großteil der Volljuristen im Unternehmen der Beklagten in Wiesbaden habe eine Nebentätigkeitsgenehmigung zur Ausübung anwaltlicher Tätigkeit.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine für die Zulassung als Rechtsanwältin zur Vorlage bei der Rechtsanwaltskammer erforderliche Erklärung mit folgendem Wortlaut auszustellen:
„Wir bestätigen, dass Frau M. M. bei uns in eigenverantwortlicher Stellung als Kundenbetreuerin...