Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung. Unwirksame außerordentliche Kündigung gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer wegen des Verdachts der Privatnutzung des Diensthandys. Verdacht der Privatnutzung des Diensthandys. Zumutbarkeit der ordentlichen Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Benutzt der Arbeitnehmer ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Diensthandy, um auf dessen Kosten heimlich umfangreiche Privattelefonate zu führen, stellt dies an sich einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar.

2. Auf die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich der Arbeitnehmer i.d.R. nicht berufen, da bei der Prüfung des wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB die Umstände des jeweiligen Einzelfalls umfassend abzuwägen sind.

3. Kündigt der Arbeitgeber bei gleicher Ausgangslage im Sinne einer gleichartigen Pflichtverletzung nicht allen daran beteiligten Arbeitnehmern, lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass es für ihn zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis auch mit dem gekündigten Arbeitnehmer fortzusetzen.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.10.2010; Aktenzeichen 14 Ca 2006/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Oktober 2010, 14 Ca 2006/10, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug über die Wirksamkeit außerordentlicher fristlos bzw. hilfsweise mit Auslauffrist ausgesprochener Arbeitgeberkündigungen und um Weiterbeschäftigung.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 464 bis 471 d.A.). Dies erfolgt mit folgenden Ergänzungen:

Die ursprüngliche Beklagte (A, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts B unter HRB C) hat ihr Vermögen als Ganzes im Wege der Umwandlung durch Aufspaltung auf verschiedene Gesellschaften übertragen, ua. den Betrieb ZD auf die jetzige Beklagte (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts B unter HRB D). Die entsprechenden Eintragungen im Handelsregister erfolgten am 01. Juli 2011 bzw. 17. Juni 2011. Die (jetzige) Beklagte hat den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 24. Juli 2011 aufgenommen.

Mit seiner Stellungnahme vom 18. Februar 2010 (Bl. 164 f d.A.) zur schriftlichen Anhörung vom 16. Februar 2010 (Bl. 152 f d.A.) bat der Kläger im Hinblick auf den Vorwurf mit dem Diensthandy im Ausland geführter Privattelefonate um Überlassung der Verbindungsnachweise. Mit Schreiben vom 19. Februar 2010 (Bl. 166 f d.A.) übersandte ihm die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Einzelverbindungsnachweise (Bl. 168 f d.A.) und verlängerte die gesetzte Stellungnahmefrist bis 23. Februar 2010, innerhalb derer dann der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers mit hiermit in Bezug genommenen Schreiben vom 22. Februar 2010 (Bl. 207 f d.A.) für diesen Stellung nahm.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage durch am 27. Oktober 2010 verkündetes Urteil, 14 Ca 2006/10, mit Ausnahme des allgemeinen Feststellungsantrags stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwar bestehe der dringende Verdacht einer vertraglichen Pflichtverletzung durch erhebliche Nutzung des zur Verfügung gestellten Diensthandys für private Zwecke, wobei die Einlassung des Klägers zur Nutzung des Handys durch seine Kinder als nicht nachvollziehbar erscheine. Aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls sei jedoch eine Abmahnung erforderlich gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 471 bis 483 d.A.).

Gegen dieses ihr am 22. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat die frühere Beklagte am 28. Dezember 2010 Berufung eingelegt und diese nach aufgrund Antrags vom 16. Februar 2011 erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 23. März 2011 am 23. März 2011 begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft den Vortrag ihrer Rechtsvorgängerin und hält daran fest, ein Abmahnungserfordernis bestehe nicht. Angesichts des Umfangs und der Intensität der Privatnutzung des Diensthandys sei es ausgeschlossen, dass der Kläger davon habe ausgehen können, sie werde das Arbeitsverhältnis bei Kenntnis von dem Pflichtverstoß fortsetzen. Entgegen der von der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung habe die Rechtsvorgängerin aus den monatlichen Telefonabrechnungen auch nicht einfach entnehmen können, in welchem Ausmaß der Kläger SMS verschickt bzw. das Firmenhandy anderweitig privat genutzt habe. Dass diese über einen längeren Zeitraum keine Überprüfung der Handyabrechnungen vorgenommen habe, führe ebenfalls nicht zum Abmahnungserfordernis, zumal keine normierte Verpflichtung bestehe, die dienstlichen Telefonrechnungen ihrer Arbeitnehmer zu überprüfen, es zu ihren personalpolitischen Grundsätzen gehöre, ihre Arbeitneh...

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