Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Unwirksame außerordentliche Kündigung gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer wegen des Verdachts der Privatnutzung des Diensthandys. Verdacht der Privatnutzung des Diensthandys. Zumutbarkeit der ordentlichen Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Benutzt der Arbeitnehmer ein vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Diensthandy, um auf dessen Kosten heimlich umfangreiche Privattelefonate zu führen, stellt dies an sich einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar.
2. Auf die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich der Arbeitnehmer i.d.R. nicht berufen, da bei der Prüfung des wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB die Umstände des jeweiligen Einzelfalls umfassend abzuwägen sind.
3. Kündigt der Arbeitgeber bei gleicher Ausgangslage im Sinne einer gleichartigen Pflichtverletzung nicht allen daran beteiligten Arbeitnehmern, lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass es für ihn zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis auch mit dem gekündigten Arbeitnehmer fortzusetzen.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 30.03.2011; Aktenzeichen 2 Ca 1945/10) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. März 2011, 2 Ca 1945/10 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug über die Wirksamkeit außerordentlicher fristlos bzw. hilfsweise mit Auslauffrist ausgesprochener Arbeitgeberkündigungen und um Weiterbeschäftigung.
Wegen des erstinstanzlich unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort zuletzt gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 234 bis 238 d.A.).
Die ursprüngliche Beklagte (A, eingetragen im Handelsregister des B unter HRB C) hat ihr Vermögen als Ganzes im Wege der Umwandlung durch Aufspaltung auf verschiedene Gesellschaften übertragen, ua. den Betrieb ZD auf die jetzige Beklagte (eingetragen im Handelsregister des B am Main unter HRB D). Die entsprechenden Eintragungen im Handelsregister erfolgten am 01. Juli 2011 bzw. 17. Juni 2011. Die (jetzige) Beklagte hat den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 18. August 2011 aufgenommen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage durch am 30. März 2011 verkündetes Urteil, 2 Ca 1945/10, stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwar liege eine grundsätzlich kündigungsrelevante Pflichtverletzung des Klägers vor, denn dieser habe in der Zeit von April 2008 bis Januar 2010 das ihm überlassene Diensthandy in erheblichem Umfang privat genutzt, ohne dies durch Eingabe der PIN-Nummer zu kennzeichnen, wobei auch davon auszugehen sei, dass dies bewusst unter Missachtung der betrieblichen Regelungen über die Privatnutzung des Mobiltelefons geschehen sei. Eine Abmahnung sei jedoch erforderlich gewesen, da für den Kläger auch aufgrund des längeren Zeitraums der pflichtwidrigen Privatnutzung und unterbliebener Beanstandung trotz bestehender Kontrollmöglichkeiten nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen sei, dass aufgrund seines Verhaltens der Verlust des Arbeitsplatzes auf dem Spiel gestanden habe und das Gewährenlassen geeignet gewesen sei, zu einer Abschwächung des Unrechtsbewusstseins zu führen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 238 bis 243 d.A.).
Gegen dieses ihr am 19. Mai 2011 zugestellte Urteil hat die frühere Beklagte am 16. Juni 2011 Berufung eingelegt und diese nach aufgrund Antrags vom 13. Juli 2011 erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 19. August 2011 am 18. August 2011 begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft den Vortrag ihrer Rechtsvorgängerin und hält daran fest, ein Abmahnungserfordernis bestehe nicht. Angesichts des Umfangs und der Intensität der Privatnutzung des Diensthandys sei es ausgeschlossen, dass der Kläger davon habe ausgehen können, sie werde das Arbeitsverhältnis bei Kenntnis von dem Pflichtverstoß fortsetzen. Dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten über einen längeren Zeitraum keine Überprüfung der Handyabrechnungen vorgenommen habe, führe ebenfalls nicht zum Abmahnungserfordernis, zumal keine normierte Verpflichtung bestehe, die dienstlichen Telefonrechnungen ihrer Arbeitnehmer zu überprüfen, es zu ihren personalpolitischen Grundsätzen gehöre, ihre Arbeitnehmer nicht ständig zu kontrollieren, und es ihr wie bereits erstinstanzlich dargelegt von April 2008 bis Ende 2009 wegen Umzugs des Betriebs ZD in einen Neubau und damit einhergehender Schwierigkeiten, eines Streiks im August 2008, erheblicher Fluktuation im Bereich der Führungskräfte und vorrangiger Behandlung von Maßnahmen der Krisenbewältigung nicht möglich gewesen sei, die Telefonabrechnungen des Bereichs, in dem der Kläger beschäftigt war, zu kontrollieren. Es sei auch nicht möglich, das Diensth...