Entscheidungsstichwort (Thema)

Untergang von Urlaubsansprüchen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Arbeitsgericht verstößt auch dann gegen Art. 101 Abs. 1 GG, wenn es mit Zustimmung beider Parteien die streitige Verhandlung am Sitz des Gerichts mit dort der Kammer zugeteilten ehrenamtlichen Richtern durchführt, obwohl durch den Geschäftsverteilungsplan die Sache einem bei dem Gericht eingerichteten Gerichtstag mit diesem zugeteilten anderen ehrenamtlichen Richtern zugewiesen ist.

2. Bei Geltendmachung vor dem 31. März des Folgejahres bleibt der Urlaubsanspruch nur insoweit erhalten, als er zeitlich noch bis dahin abgewickelt werden kann, und als Schadensersatzanspruch bei Schuldnerverzug nur dann, wenn der Arbeitnehmer bei Zugang der Geltendmachung arbeitsfähig war (in Anschluß an BAG Urt. v. 13.11.1986 – 8 AZR 212/84 und 8 AZR 224/84 – DB 1987/843).

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4, § 13 Abs. 1; ZPO §§ 38, 40; GVG § 21e Abs. 1; ArbGG § 6a; ZPO § 219; GG Art. 101 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Urteil vom 03.11.1986; Aktenzeichen 7/1 Ca 239/86)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Kassel vom3. November 1986 – 7/1 Ca 239/86 – wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Gewährung von Erholungsurlaub.

Der am 17. Juni 1927 geborene Kläger ist seit 1952 bei der Beklagten als Elektriker zu einem Stundenlohn von im maßgeblichen Zeitraum 15,87 DM brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet Kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten in der Kunststoff verarbeitenden Industrie Hessen (MTV-KVI) in der Fassung vom 1. April 1984 Anwendung. Der tarifvertragliche Urlaubsanspruch des Klägers für 1985 betrug gem. § 14 Nr. II 1 a) MTV-KVI 30 Urlaubstage. § 14 MTV-KVI lautet weiterhin u. a.:

1. Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Jahr einmal Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortgewährung des Lohnes.

Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

6. Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesen wird, unterbricht den Urlaub.

….

Bei langandauernder Krankheit kann der Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch nur geltend machen, wenn die Geltendmachung nicht als unzulässige Rechtsausübung anzusehen ist.

Ist die Krankheit jedoch die Folge eines Betriebsunfalls, so ist der Urlaub in voller Höhe zu gewähren.

….

9. Der Urlaub ist spätestens bis 31. März des folgenden Kalenderjahres zu gewähren. Der Urlaubsanspruch erlischt, wenn er nicht bis dahin geltend gemacht worden ist.

II.

Urlaubsdauer

1. …

c) Arbeitstage sind alle Kalendertage, an denen der Arbeitnehmer in regelmässiger Arbeitszeit zu arbeiten hat.

Gesetzliche Feiertage, die in den Urlaub fallen, werden nicht als Urlaubstage gerechnet.

In der Zeit vom 24. Juli 1985 bis zum 8. April 1986 war der Kläger infolge eines Betriebsunfalls arbeitsunfähig erkrankt. Zuvor hatte er nur 11 Urlaubstage Erholungsurlaub erhalten. Mit Schreiben vom 26. März 1986 machte er den Resturlaubsanspruch von 19 Tagen gegenüber der Beklagten geltend.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, nach § 14 Nr. I 9 MTV-KVI erlösche der Urlaubsanspruch nur, wenn er bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres nicht geltend gemacht worden sei. Zudem sei bei Arbeitsunfähigkeit infolge Betriebsunfalls der Urlaub gem. § 14 Nr. I 6 Abs. 3 MTV KVI in voller Höhe zu gewähren.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm 19 Tage Urlaub zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, der restliche Urlaubsanspruch für 1985 sei verfallen. § 14 Nr. I 9 MTV KVI enthalte keine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung als § 7 Abs. III BUrlG. Der Urlaub werde nur wirksam geltend gemacht, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub rechtzeitig vor vom 31. März des Folgejahres anmelde und auch in der Lage sei, diesen vor Ablauf des Übertragunszeitraums zu nehmen. Das setze voraus daß der Arbeitnehmer rechtzeitig vor dem 31. März wieder arbeitsfähig werde.

Das Arbeitsgericht hat mit am 3. November 1986 verkündetem und dem Kläger am 25. November 1986 zugestelltem Urteil – 7/1 Ca 239/86 – die Klage abgewiesen und den Wert des Streitgegenstandes auf 2.412,24 DM festgesetzt. Zu den Entscheidungsgründen im einzelnen wird auf Bl. 34 – 36 d.A. verwiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit am 19. Dezember 1986 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19. Februar 1987 mit am diesem Tage bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Er ist der Ansicht:

Der anzuwendende Manteltarifvertrag enthalte gegenüber § 7 Abs. 3 BUrlG eine günstigere Regelung, auf die sich die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht beziehe, und beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 25. August 1986 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm 19 Tage Urlaub zu gewähren.

Die Beklag...

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