Entscheidungsstichwort (Thema)
Versuchter Prozessbetrug als Kündigungsgrund. Konkurrenztätigkeit als Kündigungsgrund. Zur Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers
Leitsatz (redaktionell)
Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht durch die ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen geendet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat auch nicht durch die hilfsweise ordentlichen Kündigungen der Beklagten geendet.Ein zu Lasten des Arbeitgebers begangener versuchter Prozessbetrug kann eine Vermögensstraftat darstellen und damit einen an sich geeigneten Grund im Sinne des § 626 BGB für eine außerordentliche Kündigung. Eine Konkurrenztätigkeit eines Arbeitnehmers während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ist grundsätzlich ein für eine außerordentliche Kündigung an sich geeigneter Kündigungsgrund. Beides liegt nicht vor.
Normenkette
BGB § 626; KSchG § 1; HGB § 60; BetrVG § 102; BGB § 241 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 28.03.2012; Aktenzeichen 5 Ca 297/11) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten das am 28. März 2012 verkündete Urteil des Arbeitsgerichtes Offenbach - 5 Ca 297/11 - teilweise abgeändert, soweit es die Klage abgewiesen hat.
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentlichen, fristlosen Kündigungen der Beklagten vom 22. November und 6. Dezember 2011 nicht beendet wurde.
2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 5. September, 4. Oktober, 24. November und 12. Dezember 2011 nicht beendet wurde.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
Die Beklagte, die mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt und bei der Betriebsräte gebildet wurden, ist der deutsche Marktführer für Bahnelektrifizierung und Bahnstromversorgung. Sie hat ihren Sitz in A.
Der am ... 1952 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 1. Oktober 1975 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, zuletzt als Bereichsleiter Technologie, auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 15. März 1991 (vgl. Anlage K1 zur Klageschrift vom 25. August 2011, Bl. 5 d.A.), zuletzt mit einem monatlichen Bruttogehalt von 10.318,63 EUR zuzüglich Sachbezug, der Privatnutzung eines Firmenwagens (vgl. Gehaltsabrechnung für den Monat Dezember 2010, Anlage K4 zum Schriftsatz des Klägers vom 1. Februar 2012, Bl. 700 d.A.) beschäftigt. Der Arbeitsort des Klägers ist seit Anfang 2010 B.
Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beklagte erstellt der Kläger Gutachten über elektrische Anlagen. Diese Tätigkeit rechnet die Beklagte gegenüber den entsprechenden Auftraggebern ab. Die Grundlage der Prüftätigkeit des Klägers ist eine entsprechende Anerkennung durch das Eisenbahnbundesamt (vgl. Anlage K2 zur Klageschrift vom 25. August 2011, Bl. 6, 7 d.A.). Der Kläger ist Plan- und Abnahmeprüfer auf dem Gebiet der Oberleitungsanlagen mit Rückstromführung und Bahnerdung einschließlich der Statik.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien erstmals mit Schreiben vom 24. August 2011 (vgl. Anlage K3 zur Klageschrift vom 25. August 2011, Bl. 7a d.A.) außerordentlich und fristlos und mit Schreiben vom 5. September 2011 (vgl. Anlage zur Klageschrift vom 13. September 2011, Bl. 16 d.A.) hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2012. Die Kündigungsschreiben sind jeweils von einem Geschäftsführer der Beklagten und der Personalleiterin der Beklagten unterschrieben. Die außerordentliche Kündigung ist dem Kläger am 25. August 2011 zugegangen. Gegen diese Kündigungen erhob der Kläger Klage beim Arbeitsgericht, eingegangen am 29. August 2011 bzw. 15. September 2011, die der Beklagten am 3. September 2011 bzw. 25. September 2011 zugestellt wurden.
Die Beklagte gründet diese Kündigungen auf eine am 3. August 2011 vor dem Arbeitsgericht Offenbach am Main in einem zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit um Vergütungsansprüche protokollierte Aussage des Klägers. Der Kläger erklärte zu Protokoll:
Im Zusammenhang mit dem Reiseantrag für den Zeitraum vom 17. Februar bis 18. Februar 2011 habe ich meinem Vorgesetzten Herrn Dr. C mitgeteilt, dass ich am 18. Februar 2011 den Dienstwagen zu einem TÜV-Termin nach D bringen werde. Er erwiderte daraufhin, dass er seinen Wagen auch zum TÜV bringen müsse und dies normal sei.
Die Beklagte meint, der Kläger habe einen versuchten Prozessbetrug begangen. Seine Aussage sei nachweislich falsch.
Dem unter dem Aktenzeichen 5 Ca 146/11 vor dem Arbeitsgericht Offenbach am Main geführten Rechtsstreit lag zugrunde, dass die Beklagte für die Tage 21. Januar, 18. Februar und 25. Februar 2011 dem Kläger keine Vergütung zahlte, die der Kläger in diesem Rechtsstreit einklagte (vgl. Anlage K10 zum Schriftsatz des Klägers vom 1. Februar...