Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit wiederholter Befristung der Arbeitsverhältnisse einer angestellten Lehrerin
Leitsatz (amtlich)
Einzelfall einer wirksamen (mittelbaren) Vertretungsbefristung im Schulbereich, unter anderem da trotz zwischen den Parteien abgeschlossener 16 Arbeits-/Änderungsverträgen in rund 7 1/2 Jahren ein institutioneller Rechtsmissbrauch nicht anzunehmen war; allerdings wurde aufgrund Erklärungen der Parteien in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht durch eine nicht die Schriftform wahrende Vereinbarung einer Prozessbeschäftigung ein Arbeitsverhältnis zu den zuletzt vereinbarten Arbeitsbedingungen (neu) begründet.
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei 13 befristeten Arbeitsverträgen mit einer Gesamtdauer von rund 7 1/2 Jahren, die sämtlich auf Vertretungsbedarf als Grund für die Befristung gestützt wurden, ist noch nicht von einem Missbrauch des Befristungsgrundes der Vertretung auszugehen.
2. Haben die Parteien jedoch mit Erklärungen zu Protokoll in einer Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht ein Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen neu begründet, indem der Beklagtenvertreter der Arbeitnehmerin eine Prozessbeschäftigung zu den Konditionen des letzten befristeten Arbeitsvertrages angeboten und diese das Angebot angenommen hat, so ist die insoweit getroffene Abrede der Befristung des Arbeitsverhältnisses unwirksam, wenn sie nicht schriftlich niedergelegt worden ist.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 3, Abs. 4; BGB § 126 Abs. 4, § 127a
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Entscheidung vom 14.02.2014; Aktenzeichen 10 Ca 227/13) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 14. Februar 2014 . Aktenzeichen 10 Ca 227/13 . wird, soweit es den abgewiesenen allgemeinen Feststellungsantrag zu 2 betrifft, als unzu. lässig verworfen.
Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird das Urteil des Ar. beitsgerichts Gießen vom 14. Februar 2014 . Aktenzeichen 10 Ca 227/13 . teilweise abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsver. hältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der weiteren Befristung gemäß den gerichtlich protokollierten Erklärungen der Parteien vom 3. September 2013 zum Ende des rechtskräftigen Abschlusses des vorliegenden Befristungsprozesses endet.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 2/5 und das beklagte Land 3/5 zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin über die Wirksamkeit von zwei Befristungen und den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen.
Die 59-jährige geboren am xx.xx.xxxx), verheiratete Klägerin studierte ohne Abschluss in der Zeit vom 18. November 1975 bis zu 6. März 1981 Lehramt für die Sekundarstufe II mit den Fächern Latein und Erdkunde. Ab dem 6. Februar 2006 wurde sie bei dem beklagten Land aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft tätig. Im Einzelnen beruhte das Arbeitsverhältnis der Parteien zunächst auf folgenden Arbeits-/ Änderungsverträgen (Bl. 23 bis 57 d. A.):
Arbeits-/Änderungsvertrag: |
Beschäftigungszeitraum: |
9. Januar 2006 |
6. Februar 2006 - 28. April 2006 |
14. August 2006 |
23. August 2006-6. Juli 2007 |
10. Juli 2007 |
15. August 2007 - 20. Juni 2008 |
16. Juni 2008 |
30. Juli 2008-10. Juli 2009 |
27. März 2009 |
11. Juli 2009-21. August 2009 |
11. August 2009 |
22. August 2009 - 31. Januar 2010 |
1. September 2009 |
7. September 2009 - 5. Oktober 2009 und |
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6. Oktober 2009 - 31. Januar 2010 |
28. Oktober 2009 |
5. November 2009 - 5. Dezember 2009 und |
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6. Dezember 2009 - 31. Januar 2010 |
21. Januar 2010 |
1. Februar 2010 -15. August 2010 |
13. Juli 2010 |
16. August 2010 - 30. Januar 2011 |
4. Januar 2011 |
31. Januar 2011 - 7. August 2011 |
30. Juni 2011 |
8. August 2011 - 3. Februar 2012 |
16. Januar 2012 |
4. Februar 2012- 29. Juni 2012 |
3. Juli 2012 |
10. August 2012 - 3. Februar 2013 |
11. Oktober 2012 |
29. Oktober 2012 - 3. Februar 2013. |
Zuletzt schlossen die Parteien unter dem Datum des 20. Dezember 2012 einen Arbeitsvertrag (Bl. 58 bis 60 und - auch von der Klägerin unterschrieben - Bl. 239 bis 241 d. A.), wonach die Klägerin ab dem 4. Februar 2013 als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 16 Pflichtstunden befristet eingestellt wurde. Weiter heißt es in § 1:
"Das Arbeitsverhältnis ist befristet bis zur Wiederaufnahme des Dienstes von Frau A und Frau B , längstens bis zum 5. Juli 2013:
Nach § 2 (1) des Arbeitsvertrages der Parteien vom 20. Dezember 2012 bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen (TV-H), dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Landes Hessen in den TV-H und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-H sowie den Tarifverträgen, die den TV-H und den TVÜ-H ergänzen, ändern oder ersetzen, in der jeweils geltenden Fassung. In § 2 (4) heißt es, auf das Arbeitsverhältnis findet § 21 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Anwendung. Die Bruttomonatsvergütung lag zuletzt bei € ...