Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Fahrtkosten zu einer auswärtigen Berufsschule. Veranlassung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Pflicht zur Erstattung von Fahrtkosten des Auszubildenden zu einer auswärtigen Berufsschule durch den Ausbildenden besteht nach § 10 Abs 3 TVAöD-BT BBiG nur dann, wenn der Ausbildende den Besuch der auswärtigen Berufsschule veranlasst hat.
2. Eine Veranlassung im Sinne von § 10 Abs 3 TVAöD-BT BBiG ist anzunehmen, wenn der Auszubildende auf die Wahl der Schule Einfluss nimmt und der Auszubildende deshalb nicht die staatlich vorgesehene Berufsschule, sondern eine andere Berufsschule mit einem längeren Anfahrtsweg besucht.
3. Die Regelung im Ausbildungsvertrag, nach der der Auszubildende zur Teilnahme am Berufsschulunterricht verpflichtet ist, stellt allein keine Veranlassung dar.
Normenkette
TVAöD BT-BBiG § 10 Abs. 2; TVAöD BT-BBiG § 10 Abs. 3; TVG § 1
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Urteil vom 08.10.2008; Aktenzeichen 5 Ca 254/08) |
Nachgehend
BAG (Entscheidung vom 14.10.2010; Aktenzeichen 3 AZR 689/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 08. Oktober 2008 – 5 Ca 254/08 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der beklagten Stadt die Erstattung der ihr durch Fahrten zu einer auswärtigen Berufsschule entstandenen Fahrtkosten.
Die am 16. September 1985 geborene Klägerin, die Mitglied der Gewerkschaft A ist, schloss am 20. Juni 2006 einen Berufsausbildungsvertrag mit der beklagten Stadt, die Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbands ist, ab und wurde in der Zeit vom 14. August 2006 bis 13. August 2008 zur Gärtnerin mit dem Schwerpunkt Zierpflanzenbau ausgebildet. Dieser Berufsausbildungsvertrag enthält u.a. folgende Regelungen:
§ 3 Pflichten des Ausbildenden
Der Ausbildende verpflichtet sich,
5. (Besuch der Berufsschule und von Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte)
den Auszubildenden zum Besuch der Berufsschule anzuhalten und freizustellen. Das gleiche gilt, wenn Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte vorgeschrieben oder nach Nr. 12 durchzuführen sind.
§ 4 Pflichten des Auszubildenden
„Der Auszubildende hat sich zu bemühen, die Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben, die erforderlich sind, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Er verpflichtet sich insbesondere,
…
2. (Berufsschulunterricht, Prüfungen und sonstige Maßnahmen)
am Berufsschulunterricht und an Prüfungen sowie an Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte teilzunehmen, für die er nach § 3 Nr. 5, 11, 12 freigestellt wird; …
…
8. (Benachrichtigung)
bei Fernbleiben von der betrieblichen Ausbildung, vom Berufsschulunterricht und von sonstigen Ausbildungsveranstaltungen dem Ausbildenden unter Angabe von Gründen unverzüglich Nachricht zu geben und ihm Arbeitsunfähigkeit und deren Dauer unverzüglich mitzuteilen. ….
§ 5 – Vergütung und sonstige Leistungen
3. (Kosten für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte)
Der Ausbildende trägt die Kosten für Maßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte gemäß § 3 Nr. 5, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind; ist eine auswärtige Unterbringung erforderlich, so können dem Auszubildenden anteilig Kosten für Verpflegung in dem Umfang in Rechnung gestellt werden, in dem dieser Kosten einspart. …
Eine Berufsschule mit dem Bereich der Ausbildung zum Gärtner war im Kreis B, dem die Beklagte angehört, nicht vorhanden. Da das Stadtgebiet der Beklagten zum Nordkreis B gehört, war die C in D die für die Klägerin zuständige Berufsschule (§ 1 der Verordnung über die Bildung von schulträgerübergreifenden Schulbezirken für Fachklassen an Berufsschulen vom 19. Juni 2006 nebst Abschnitt A der Anlage; vgl. Bl. 35 f. d. A.). Die Klägerin besuchte diese Berufsschule. Bis zum 31. Dezember 2006 erstattete die Beklagte der Klägerin die Fahrtkosten zur Berufsschule. Ab 1. Januar 2007 gewährte sie keine Fahrtkostenerstattung mehr. Im Jahr 2007 entstanden der Klägerin durch den Besuch der Berufsschule unstreitig notwendige Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 206,90 Euro, und zwar
im Februar 2007 |
22,70 Euro |
im März 2007 |
22,70 Euro |
im April 2007 |
7,10 Euro |
im Mai 2007 |
44,00 Euro |
im Juni 2007 |
22,70 Euro |
im Juli 2007 |
22,70 Euro |
im August 2007 |
7,10 Euro |
im September 2007 |
22,25 Euro |
im Oktober 2007 |
10,10 Euro |
im November 2007 |
20,20 Euro |
im Dezember 2007 |
5,35 Euro |
Die Klägerin forderte die Beklagte zur Erstattung der Fahrtkosten unter Vorlage der Fahrkarten jeweils innerhalb der Ausschlussfrist auf.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sowohl nach dem Ausbildungsvertrag als auch nach § 10 Abs. 3 TVAöD-BT BBiG einen Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten zu haben.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 206,90 Fahrtkostenerstattung nebst einem Zinssatz in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus 22,70 Euro ab 01. März 2007, 22,70 Euro ab 01. April 2007, 7,10 Euro ab 01. Mai 2007, ...